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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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an.
     
    Während der ersten halben Stunde sagte er kein Wort.
    Sie schwieg ebenfalls. Sie saßen nebeneinander auf dem Vordersitz wie zwei Fremde, die wissen, dass sie einander nichts zu sagen haben. Sie hatten nicht einmal eine gemeinsame Sprache, in der sie Höflichkeitsfloskeln zum Ausdruck bringen konnten.
    Vielleicht war das auch besser so. Sie hatte nicht überlegt, ob sie Gesprächsstoff haben würden, aber jetzt erschien es ihr als unmöglich. Nach all diesen Jahren gab es nichts mehr zu sagen.
    Die Zeit hatte nichts geheilt und nichts schlimmer gemacht. Alles war so, wie es eben war.
    Wie es vor sechzehn Jahren in einer Julinacht geworden war, unveränderlich und ein für alle Mal festgelegt.
    Wir haben uns fast nie mehr geliebt, nachdem unsere Tochter auf die Welt gekommen ist, dachte sie plötzlich. Ich wollte das nicht, ich glaube nicht, dass ich auch nur ein einziges Mal Verlangen nach ihm hatte. Seltsam.

    Aber das ganze Leben war doch seltsam. Ab und zu wie ein Wind, der im Frühling durch einen Birkenwald weht, ab und zu wie ein Sturm. Ab und zu wie ein krankes, abgemagertes Tier, das sich nur verkriechen und in Frieden sterben will ... seltsame Gedanken, die ihr fremd erschienen. Die er auf irgendeine Weise hervorzurufen schien ... der Mann, der jetzt wieder so dicht neben ihr saß und den sie vor langer Zeit aus ihrem Leben ausgeschlossen hatte und zu dem kein Weg zurückführte.
    Unter keinen Umständen. Und wenn sie zu der schmächtigen, zusammengekrümmten Gestalt auf dem Beifahrersitz hinüberlugte, dann bereute sie, ihn nicht auf die Rückbank verwiesen zu haben. Sein Elend war mit ihm verwachsen, so kam es ihr plötzlich vor. Hatte ihn so durchsetzt, dass es ihm nun anzusehen war. Es war ihm anzusehen, was für ein Mensch er war, sie wünschte, es wäre früher schon so deutlich gewesen.
    Denn dann wäre vielleicht alles anders gekommen.
    Aber wenn sie ihn damals schon durchschaut hätte, dann hätte sie ihn natürlich nie geheiratet. Und wenn sie ihn nie geheiratet hätte, dann wäre auch Mikaela nie auf die Welt gekommen. Diese Verbindung würde sie niemals kappen können, das wusste sie. Mikaela hatte auch sein Blut, und das war wohl das Einzige, was sie zu seinen Gunsten sagen konnte. Ohne ihn gäbe es ihre Tochter nicht, und die Bilder des Windes und des kranken Tieres tauchten wieder vor ihrem inneren Auge auf ... nur, um von einigen Worten gefolgt zu werden, die er einmal gesagt hatte.
    Ich mag unser Schweigen.
    Genau das hatte er gesagt. Unser Schweigen? Das tue gut, hatte er behauptet. Sie sei die erste Frau, mit der zusammen er schweigen könne.
    Herrgott, dachte sie. Er bildet sich doch wohl nicht ein, dass auch im jetzigen Schweigen etwas Schönes steckt?
    Aber sie fragte ihn nicht danach. Fuhr nur ein wenig schneller, der Regen hatte nachgelassen und würde bald ganz aufhören.

     
    Gleich hinter Saaren fuhren sie auf eine Tankstelle und tankten, und als sie sich dann wieder hinter das Lenkrad setzte und den Sicherheitsgurt anlegte, machte er zum ersten Mal den Mund auf.
    »Wohin fahren wir?«, fragte er.
    Seine Stimme erinnerte an Herbstlaub, das zu Boden fällt. Sie gab keine Antwort.

20
    Vernehmung der Paula Ruth Emmerich, am 29.7.1983.
Ort: Wache von Lejnice.
Vernehmungsleiter: Inspektor Walevski.
Anwesend: Soz. Ass. Bluume.
Abschrift: Inspektor Walevski. Kopien an: Hauptkommissar
Vrommel, Polizeichef, Soz. Ass. Bluume.
     
    Walevski: Du heißt Paula Emmerich?
    Emmerich: Ja.
    W: Geboren am 22. Mai 1967 hier in Lejnice?
    E : Ja.
    W: Bis zum 17. Juni dieses Jahres hast du die Voellerschule in Lejnice besucht?
    E : Ja.
    W: Du warst sechs Jahre mit einer gewissen Winnie Ludmilla Maas in einer Klasse. Stimmt das?
    E : Ja.
    W: Würdest du behaupten, dass du Winnie gut gekannt hast?
    E : Ja. Aber wir waren nicht mehr so gut befreundet wie früher.
    W: Aber ihr hattet noch miteinander zu tun?
    E : Ja.
    W: Du weißt, was mit Winnie passiert ist, und warum wir mit dir sprechen wollen?
    E : Ja.
    W: Was weißt du über Arnold Maager?

    E : Er war unser Lehrer in Sozialkunde und Geschichte.
    W: Auf der Voellerschule?
    E : Ja.
    W: Seit wann war er euer Lehrer?
    E : Seit zwei Jahren. In der achten und der neunten Klasse. W: Wie war er als Lehrer?
    E : Normal. Ziemlich gut, glaube ich.
    W: Kannst du ihn ein wenig genauer beschreiben? (Keine Antwort.)
    W: War er in der Klasse beliebt?
    E : Ja. Er war in Ordnung. Hübsch.
    W: Hübsch?
    E : Für einen Lehrer.
    W: Ich verstehe. Weißt

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