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Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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Bank zieht niemand zur Rechenschaft.«
    Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht, setzte sich wieder, trank einen großen Schluck Bier und stierte auf den Boden. Noch immer sah er weder Batzko noch Gerald an.
    »Sie müssen das so verstehen«, fuhr er fort, nun mit leiserer Stimme. »Mein Großvater und mein Vater, beide waren bei der Bank hier, ihr ganzes Leben lang, und ich auch – obwohl mein Leben, was die Bank angeht, schon viel früher im Arsch ist. Ja, Sie haben Recht. Natürlich wäre es Sache der Bank, mir Überbrückungskredite zu geben. Das habe ich geglaubt, das habe ich vorausgesetzt. Aber ich habe eins nicht begriffen: Es gibt eine viel größere Schreinerei hier in der Nähe, mit acht-, neunmal so viel Personal, wie ich es habe. Eine Neuansiedlung vor etwa fünf Jahren. Keiner weiß genau, wo die hergekommen sind. In den letzten Jahren hab ich die oft gezwickt, weil ich die Aufträge bekommen habe, obwohl ich höhere Löhne zahle als die. Weil ich gut bin. Weil man mich kennt, mir vertraut und mit meinen Leuten zu tun haben will und nicht mit den Tschechen, Iren und Ungarn, die bei denen mit Hungerlöhnen abgespeist werden. Aber die sind dennoch viel, viel größer und für die Bank die attraktiveren Kunden. Mit denen lassen sich die großen Räder drehen, nicht mit so einem Familienbetrieb wie meinem, bei dem alle Mitarbeiter draußen an den Tisch passen, wenn sie Brotzeit machen. Das sind die beiden Fehler, die ich gemacht habe und die man niemals machen darf. Alle Mitarbeiter bei einem Auftrag zu haben und mit leeren Taschen zur Bank zu gehen. Zur falschen Bank.«
    »Gab es keine Anzeichen dafür, dass Ihre Hausbank die Kredite nicht verlängern würde? Konnten Sie nicht zu einer anderen Bank gehen?«
    Scharnagl schüttelte den Kopf. Er hatte sich so in Rage geredet, dass sein Haar an der Stirn klebte. Mit einer schnellen Bewegung griff er eine zweite Bierflasche und öffnete sie.
    »Den Filialleiter kenne ich seit zwanzig Jahren. Fußballverein, Freiwillige Feuerwehr, Dorffeste, Grillen mit der Familie. Der sagt mir, dass er es nicht entscheiden dürfte. Kam von der Zentrale oben, meinte er, von jemandem, den er nicht einmal persönlich kennt. Über ihm werde nur noch rotiert, die würden nur nach Zahlen entscheiden, niemanden mehr persönlich kennen, keine Geschichten und keine Menschen hinter den Zahlen sehen. Ob er mir die Wahrheit sagt, weiß ich nicht. Vielleicht. Vielleicht spielt er aber bald nicht mehr Fußball mit mir, sondern Golf mit dem Chef der Konkurrenzfirma. Ich glaube niemandem mehr. Sie kriegen heute ja nie jemanden zu packen, weil es immer ein anderer war, irgendwo, in irgendeiner beschissenen Zentrale oder Leitung oder weiß der Himmel wo. Nur jemand wie ich, der ist immer zu packen, der kann auf keinen anderen zeigen, der kann sich nicht wegducken.«
    »Das ist bitter, und ich kann Sie verstehen, Herr Scharnagl«, sagte Gerald nach einer längeren Pause. »Aber es erklärt nicht die Wut, die Sie Herrn Baumann gegenüber empfinden. Er konnte schließlich nichts für diese Situation, sondern musste im Auftrag des Amtsgerichts tätig werden.«
    Bevor Scharnagl antworten konnte, wurde die Haustür geöffnet. Von seiner Position aus konnte Gerald nicht in die Diele blicken. Den Geräuschen nach zu urteilen wurde ein Schlüsselbund abgelegt und Schuhe ausgezogen. Aber der junge Mann, der das Wohnzimmer betrat, kam nicht in Filzpantoffeln, er ging barfuß. Die abgeschnittenen Jeans – vermutlich mit einer Schere, der Saum war jedenfalls deutlich ausgefranst – endeten oberhalb des Knies. Darüber trug er ein schwarzes T-Shirt, durch das auf der Brustseite ein leuchtend roter Zacken fuhr, als hätte der Blitz eingeschlagen. Das Gesicht des vielleicht Siebzehnjährigen war sehr schmal und blass – zumindest der Ausschnitt, den die langen, glatten Haare freigaben. Weder im Gesicht noch in dem auffallend dünnen Körper konnte Gerald eine Ähnlichkeit mit Scharnagl entdecken. Aber die Augen und den Mund hatte der Junge von seiner Mutter, die Gerald auf den Hochzeitsfotos gesehen hatte.
    »Hi Dad.« Die Stimme war hoch und klang sehr unsicher.
    Wilfried Scharnagl antwortete nicht direkt. Er wies lediglich auf die Besucher und sagte: »Zwei Herren von der Polizei.«
    »Oh. Wegen mir?« Der junge Mann wirkte verunsichert. Er zuckte kurz mit dem Kopf, als wollte er eine Fliege vertreiben.
    »Ja. Sie haben deinen Dealer verhaftet, und der hat gesungen wie eine Nachtigall.« Scharnagl

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