Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)
presste die schmalen Lippen aufeinander. Seine blasse, leicht kränklich wirkende Gesichtshaut wurde noch fahler. Er atmete tief ein.
»Nun«, begann er zögerlich, »das bedarf natürlich in gewissem Sinn einer Erklärung.«
»Jetzt mal bitte nicht so gestelzt«, unterbrach ihn Batzko, »sondern klar und direkt. Ich darf Sie daran erinnern, dass wir in einem Mordfall ermitteln.«
»Gut, ich verstehe.« Thaler beugte sich nach vorne und umgriff mit den Fingerspitzen die Prospektmappe, als wollte er sie den Kommissaren überreichen. »Natürlich haben wir unseren Freund auf dem Bild in der Zeitung erkannt. Doch wir haben auch nicht daran gezweifelt, dass seine Frau, seine Sekretärin oder auch seine Kollegen sich bei Ihnen melden würden. Falls das wirklich nicht der Fall gewesen wäre – wenn es also erneut einen Aufruf an die Öffentlichkeit gegeben hätte –, dann wären wir selbstverständlich umgehend auf Sie zugekommen. Wir, also meine Frau und ich, sehen uns aber, – wie soll ich mich korrekt ausdrücken – wir zählen uns nicht zum engsten Umkreis von Herrn Baumann.«
»Obwohl Sie und Ihre Frau«, setzte Batzko nach und imitierte den gespreizten Duktus des Immobilienmaklers, »mit Herrn Baumann – wie soll ich mich korrekt ausdrücken – in einer ganz besonderen Verbindung standen.«
Gerd Thaler errötete leicht und presste die Lippen aufeinander, was seinem knochigen Gesicht etwas Maskenhaftes verlieh. Er schien sich erst jetzt klar darüber zu werden, dass die Polizei von der Wohnung in der St.-Martin-Straße wusste, und die beiden Beamten nicht zu einem Routinebesuch gekommen waren, weil das Ehepaar Thaler zum Bekanntenkreis des Ermordeten gehörte. »Nun, das mag richtig sein. Aber die Umstände der Tat wiesen in meinen Augen in eine ganz andere Richtung. Ich sah, mit Verlaub, keinerlei Verbindung.«
»Es ist nicht Ihre, sondern unsere Aufgabe, Verbindungen herzustellen«, antwortete Batzko scharf. Gerald betrachtete seinen Kollegen und befürchtete, dass dessen erhöhte Reizbarkeit gegenüber Akademikern und Vertretern des gehobenen Bürgertums die Neutralität der Ermittlungen gefährdete. Es hatte schon die eine oder andere Beschwerde von Zeugen gegeben, die zu einem Aktenvermerk geführt hatte.
»Vielleicht ist es am besten«, sagte Gerald, »wenn Sie uns Ihre Freundschaft mit Herrn Baumann einmal von Beginn an schildern.«
»Gewiss, meine Herren. Sie haben natürlich Recht. Aber ich denke, es ist besser, wenn ich dann auch meine Frau zu uns bitte.« Er erhob sich. Im selben Moment hörte man Schritte auf der Treppe. Langsame Schritte auf Stöckelschuhen. Dann betrat Gertie Thaler den Raum und nahm ihn zugleich für sich ein. Sie war nicht nur eine attraktive, selbstbewusste Frau von etwa Mitte oder Ende vierzig, sondern sich ihrer Wirkung auch durchaus bewusst. Sie trug ein rotes Kleid, das unterhalb der Knie endete, mit einem breiten, schwarzen Gürtel, der ihre schlanke Figur betonte. Ihr kastanienbraunes Haar fiel ihr leicht bis über die Schultern. Was für eine Erscheinung, dachte Gerald.
Gertie Thaler reichte den Kommissaren die Hand, als sie sich vorstellte. Sie sprach langsam und artikulierte sehr deutlich, was ihr eine gewisse Autorität verlieh. Ihr hübsches, zierliches Gesicht war so perfekt geschminkt, als wäre sie auf dem Weg zu einem wichtigen geschäftlichen Meeting.
»Aber bitte, meine Herren, setzen Sie sich doch.«
Sie selbst nahm nicht Platz, sondern blieb hinter dem Sessel stehen, in dem ihr Mann saß, und legte die Hände auf seine Schultern, als wollte sie ihn ihre Zuneigung und Solidarität spüren lassen.
»Ich bin gebeten worden, etwas über unsere Freundschaft zu Arndt zu erzählen, Liebling.« Gerd Thaler berührte kurz mit der Hand die seiner Frau.
»Dann solltest du die Herren nicht länger warten lassen.« Gertie Thaler lächelte höflich.
Ihr Mann räusperte sich dezent. »Nun, wir kennen, Verzeihung, wir kannten Arndt Baumann schon seit zwei Jahrzehnten. Herr Baumann hat uns juristisch beraten, als wir uns selbstständig gemacht haben, und er ist seitdem das geblieben, was man umgangssprachlich mit ›unser Anwalt‹ bezeichnet. Glücklicherweise brauchen wir in dem gehobenen Umfeld, in dem wir uns beruflich bewegen, nicht oft juristischen Rat, aber wenn wir ihn benötigen, haben wir uns stets an Arndt Baumann gewandt, der im Laufe der Jahre unser Freund geworden ist.«
»Sie haben sich also auch privat getroffen?« Gerald bemerkte, wie Frau
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