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Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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Pressesprecherin wirkte neben dem massigen Polizeipräsidenten, der seiner Essleidenschaft in den letzten Wochen offenbar wieder Tribut gezollt hatte, umso zierlicher. Sein weißes Hemd spannte über dem Kugelbauch, und auf der hohen Stirn lagen Schweißperlen. Anscheinend hatte er den Aufzug auch heute konsequent gemieden und seinen Körper mitleidlos über die Treppe in den vierten Stock gewuchtet.
    »Ich sehe, dass wir den Ruf Münchens als Deutschlands, wenn nicht Europas sicherste Hauptstadt auch in dieser Woche spielend verteidigen werden.«
    Tanja Hillenbrand nahm den Stift vom Papier. Diesen Satz musste sie nicht mehr mitschreiben. Der Polizeipräsident verwendete ihn jede Woche, und er hatte sich in ihr Langzeitgedächtnis längst tief eingraviert.
    Dr. Vordermayer nahm die Brille ab, blickte noch einmal in die Runde, holte tief Luft und hob dabei die Augenbrauen. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wussten dieses Zeichen zu deuten. Er verabschiedete die Große Runde gerne mit einer launigen Bemerkung. »Was die Wohnung in der St.-Martin-Straße angeht«, sagte er mit einem Seitenblick auf Batzko und Gerald, die als Vertreter des Kommissariats für Tötungsdelikte traditionell als Letzte ihren Bericht abgeliefert hatten, »so schlage ich vor, dass das Polizeipräsidium sie anmietet, mit einem Kasperltheater, einem Sack Legosteinen und einer Carrera-Rennbahn. Das kommt den Steuerzahler um ein Vielfaches billiger, als Kolleginnen und Kollegen mit einem Burn-out-Syndrom wochenlang in die Kur zu schicken. Aber keine falschen Hoffnungen: In der Wohnung herrscht natürlich absolutes Alkoholverbot.«
    Die Große Runde antwortete mit einem breiten Lachen, das zugegebenermaßen von einem gewissen Opportunismus gespeist wurde. Dr. Vordermayer packte seine Unterlagen in die Aktentasche und stand auf. Bevor er den Raum verließ, ging er zu Batzko und Gerald und sagte mit leiser, eindringlicher Stimme: »Liebe Kollegen, konzentrieren Sie sich ganz alleine auf diesen Fall, bis er abgeschlossen ist. Sie wissen, dass sich die Presse gerne an diesen spektakulären Fällen festbeißt. Das ist nicht gut für uns, ich will denen keine Schlagzeilen für die Titelseite liefern. Wir haben uns verstanden?«
    »Selbstverständlich«, sagte Batzko übereifrig.
    »Was diesen Brief angeht …« Dr. Vordermayer rückte noch näher an die beiden heran. »Es bleibt dabei, dass er offiziell nicht existiert, solange das LKA nicht etwas wirklich Fundiertes zu liefern hat. Es wäre fatal, wenn das in die Öffentlichkeit geraten würde. Der Oberbürgermeister wäre absolut nicht erfreut, wenn sein Name im Zusammenhang mit einem vermeintlichen Bekennerschreiben genannt wird. Haben wir uns da verstanden?«
    Gerald nickte kurz.
    Auf dem Weg zurück ins Büro holte Gerald sich, ganz gegen seine Gewohnheit, ein Frühstück aus der Kantine. Und ebenfalls ganz gegen seine Gewohnheit verzichtete Batzko auf jeglichen Kommentar. Selbst ihm war aufgefallen, dass sein Kollege es, sichtbar übermüdet, noch in allerletzter Minute in die Große Runde geschafft hatte. Nur ein breites ironisches Grinsen konnte er sich nicht verkneifen.
    »Du hast den Wunsch unseres Präsidenten gehört«, sagte Batzko.
    »Ich brauche im Gegensatz zu dir keine Wünsche eines Polizeipräsidenten, um einen Fall zu lösen«, antwortete Gerald und biss in eine Semmel.
    »Du brauchst vor allem mich, ich weiß, und meine brillanten Ideen. Obwohl ich an einem Punkt bin …«
    Ein vorsichtiges Klopfen an der offenen Tür ließ Batzko verstummen. Obwohl Gerald Regine Weinzierl sofort erkannte, war er irritiert. Etwas war anders. Es war ihre Frisur. Sie hatte die langen Haare, die gut zu ihrer weichen, molligen Erscheinung passten, zugunsten eines Pagenkopfes, der vermutlich Dynamik und Frische vermitteln sollte, abschneiden lassen. Doch bei ihr wirkte er seltsam deplatziert, ihr Gesicht war einfach zu rundlich.
    »Wissen Sie noch, wer ich bin?« Regine Weinzierl kam näher. Sie trug einen leichten Regenmantel und flache Halbschuhe. Gerald erkannte, dass ihr Make-up um die Augen etwas verschmiert und die Augen feucht wirkten, als hätte sie geweint und keine Möglichkeit gehabt, sich anschließend zurechtzumachen. Sie stellte die beiden vollen Plastiktüten, die sie mitgebracht hatte, neben den Besucherstuhl und knöpfte den Mantel auf. Das blaue Baumwollkleid wurde sichtbar, das sie bei ihrem ersten Treffen schon getragen hatte.
    Gerald forderte sie auf, sich zu setzen. Batzko rollte

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