Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
Vom Netzwerk:
ihr Kleid glatt und verabschiedete sich von Batzko, der sich jedoch schon wieder seinem Ordner zugewandt hatte.
    Im Aufzug warf Gerald verstohlen einen Blick in die Tüten. Er identifizierte neben Teebeuteln, Kaffeedosen und Gewürzen mehrere gerahmte Familienfotos und, zuoberst liegend, einen Teddybären.
    »Man darf das Vertrauen in das Leben nie verlieren. Das wäre die größte Sünde überhaupt, hat mein Vater mir immer gesagt«, meinte sie unvermittelt. »Sie sind sehr freundlich. Ihr Kollege ist ja eher von der schweigsameren Sorte. Aber Sie können ihm ausrichten, dass ich sehr wohl weiß, dass ich für manche zu viel rede. Die Niagarafälle wären im Vergleich zu mir ein tropfender Wasserhahn, sagt mein Mann immer.«
    Als die Aufzugtüren sich wieder öffneten und Gerald erneut die Taschen nahm, errötete sie wieder: »Wissen Sie, dass Sie zu den wenigen Männern gehören, die uns Frauen noch eine Tasche abnehmen? Mein Mann und die Söhne würden sich nicht rühren, aber damit habe ich mich abgefunden. Herr Baumann war in dieser Beziehung etwas launisch. Er war ja korrekt wie ein Lehrbuch, auch immer höflich, aber wenn ich in der Mittagspause mal etwas für das Büro oder auch für ihn privat eingekauft habe – seine Frau, die den lieben langen Tag außer Joggen und Shoppen nichts tun muss, es mal wieder nicht geschafft hat –, ja wenn wir uns dann im Flur zufällig trafen, ich mit vier Taschen an meinen zwei kleinen Händen, da hat er sich manchmal umgedreht, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Manchmal denke ich, er hat Frauen nicht gemocht, was ja kein Wunder wäre bei der, mit der er verheiratet war. Ein Eiszapfen ist eine Wärmflasche im Vergleich zu ihr. Dann gab es wiederum Tage, wo Herr Baumann sehr zuvorkommend war. Wenn ich Überstunden machen musste, weil er eine Sache unbedingt noch abschließen wollte, hat er darauf bestanden, mich in seinem Wagen nach Hause zu fahren.«
    Gerald bot an, ihr ein Taxi zu bestellen, aber Regine Weinzierl lehnte ab. Was sie möglicherweise noch zum Abschied hatte sagen wollen, blieb ungesagt, weil ihr die Tränen kamen und sie die Lippen aufeinanderpresste.
    Im Aufzug lehnte sich Gerald an die Wand, eine Müdigkeitswelle überrollte ihn. Er hatte vielleicht zwei, höchstens drei Stunden geschlafen. Als er in sein Zimmer kam, deutete Batzko auf das Handy, das neben Geralds Telefon lag. Eine SMS . »Danke dir für die wunderschöne Hundert-Stunden-Nacht. Hat mich zu einer Mutprobe angeregt … Hundert Küsse. Anne.«
    Gerald steckte das Handy in seine Tasche und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Diese Nacht war die zärtlichste gewesen, die er jemals erlebt hatte, obwohl – oder gerade weil – sie nicht miteinander geschlafen hatten. Für Anne war es nicht möglich, sich ganz auf einen Mann einzulassen, der nicht wirklich frei war. Gerald war zunächst überrascht, hatte es dann aber akzeptiert. Für ihn war es wie eine Zeitreise gewesen zurück in die Pubertät, als er den Körper seiner ersten Freundin über Monate gleichsam Zentimeter für Zentimeter entdeckt hatte – und sein eigener Körper entdeckt worden war.
    »Ich habe bereits mit diesem Anwalt telefoniert. Er erinnert sich natürlich an den Zettel, aber er ist noch nicht dazu gekommen, die entsprechenden Akten durchzuarbeiten. Er meldet sich, wenn er weitere Hinweise in den Unterlagen findet.«
    »Gut.«
    »Das ist sogar sehr gut. Scharnagl hat als Letzter mit Baumann telefoniert, und nun wissen wir, dass er ein Motiv hat.«
    »Also werden wir jetzt mit Scharnagl ein Rendezvous vereinbaren.«
    Batzko deutete mit einer Kopfbewegung auf das Telefon und legte die Hände in den Nacken. »Du bist an der Reihe.«
    Gerald kam nicht dazu, denn in diesem Moment klingelte sein Handy. Er nahm es vom Schreibtisch und verließ den Raum. Gerald war sich vollkommen sicher, dass es nur Anne sein konnte. Ohne einen Blick auf das Display zu werfen, sagte er in heiterster Tonlage: »Hundertmal Guten Morgen. Wie geht es dir?«
    Er bekam keine Antwort. Da war nur ein überraschtes »Oh« zu hören und danach Schweigen. Irritiert hielt er das Handy vor die Augen. »Nele« stand da.
    Gerald lehnte sich gegen die Wand des engen Flurs. Er wollte etwas sagen, bekam aber keinen Ton heraus. Zwei Kollegen in Uniform gingen in ein Gespräch vertieft an ihm vorbei, ohne ihm Beachtung zu schenken. Er spürte, wie er unter den Achseln zu schwitzen begann.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass du mich so begrüßen

Weitere Kostenlose Bücher