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Der Toten tiefes Schweigen

Der Toten tiefes Schweigen

Titel: Der Toten tiefes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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Alpenveilchen heraus, stellte die Töpfe auf die Fensterbank und ging wieder, wobei sie einen Code in das Zahlenfeld eingab, um die Tür zu öffnen.
    Nach zehn Minuten trat eine junge Frau im dunklen Hosenanzug zu ihr.
    »Reverend Fitzroy? Dr.Fison. Würden Sie bitte mit mir kommen?«
    Sie gingen durch einen Korridor. Cremefarben angestrichen. Ein Anstaltskorridor. Stimmen in der Ferne. Geruch nach angebrannter Milch.
    »Bitte nehmen Sie Platz.«
    Ein Büro. Sie hatte damit gerechnet, auf eine Station geführt zu werden.
    »Tut mir leid, dass Sie warten mussten, aber Sie können sich sicher vorstellen, dass es einen bestimmten Ablauf gibt, wenn so etwas passiert.«
    »Ich fürchte, ich kenne Polly überhaupt nicht, doch da sie mich rufen ließ, können Sie mich vielleicht aufklären, bevor ich zu ihr gehe?«
    Ein überraschter Blick. Stirnrunzeln. Sie legte den Kugelschreiber ab. »O Gott. Man hat Sie nicht informiert.«
    »Worüber?«
    »Polly ist tot. Sie hatte Medikamente versteckt, außerdem hat sie vier Rasierklingen verschluckt. Man hat sie heute Morgen um fünf Uhr in der Toilette gefunden. Tut mir leid, da hat es offenbar eine Panne in der Kommunikation gegeben.«
    »Sieht so aus.«
    »Wir haben Kontakt mit Pollys Familie aufgenommen. Ihre Eltern sind auf dem Weg aus …« – sie warf einen Blick auf die Papiere – »York. Das ist alles. Sie haben sich vergeblich herbemüht.«
    »Nein«, sagte Jane. »Wäre es möglich, dass ich ihre Leiche sehe?«
    »Ich fürchte, nein, es sei denn, Sie wollen in die Leichenhalle gehen. Natürlich muss eine Autopsie durchgeführt werden.« Ihr Tonfall war kühl. Auch sie hatte Polly Watson nicht gekannt. Ein akuter Notfall, Selbstmord, Akte geschlossen.
    »Ich werde tatsächlich in die Leichenhalle gehen«, sagte Jane.
    »Wie Sie wollen. Wissen Sie, wo sie ist?«
    Händeschütteln. Wieder der Korridor. »Ich verabschiede mich hier, wenn es recht ist – habe noch zu tun.«
     
    Jane trat in den frostigen, grauen Morgen hinaus. Sie war niedergeschlagen und hilflos. Sie hatte bei jemandem versagt, den sie nicht einmal kannte. Eine unglückliche junge Frau mit Gott weiß welchen Problemen und in einer Notlage, eine junge Frau, die hier ein Jahr lang studiert hatte und kaum jemandem bekannt war.
    Das sollte nicht sein, dachte sie.
    Es kommt vor.
    Nachdem sie die Leichenhalle verlassen hatte, wurde ihr klar, was ihr im Kopf herumgegangen war. Peter Wakelin hatte sie zum Abendessen eingeladen. Ein Abendessen war etwas anderes. Ihr gefiel das wenige, was sie von ihm wusste, aber sie wusste auch, dass sie nicht hingehen wollte. Nach zwei schlimmen Jahren suchte sie noch immer festen Halt unter den Füßen. Ruhe und Frieden, in denen sie ihre Doktorarbeit fortsetzen und ihre seelsorgerische Arbeit gut verrichten konnte, war alles, was sie jetzt brauchte.
    Als sie zurückkam, schrieb sie eine Nachricht und hinterlegte sie in seinem Postfach.

[home]
    Sechsundsechzig
    W ürden Sie mir bitte sagen, worum es geht, Sir …«
    »Ich habe gesagt, das tu ich nicht, ich möchte den Chef sprechen.«
    »Ich bin mir nicht sicher, wen Sie damit meinen, Sir, aber ich bin der diensthabende Beamte.«
    »Das weiß ich. Ich will zu dem im Anzug, der ständig in den Nachrichten ist.«
    »Das wäre die Kriminalpolizei, Sir. Ich kann jemanden aus dem Dezernat holen, der mit Ihnen redet, wenn Sie mir sagen, worum …«
    »Nein. Ich sag Ihnen jetzt was, ich setz mich da drüben hin. Bin noch nicht so lange aus dem Krankenhaus, deshalb wird mir oft schwindelig, ich setz mich da drüben hin und warte, und Sie können ihn holen, und wenn er nicht da ist, werde ich trotzdem warten, und wenn er da durch die Türen kommt, werde ich ihn sehen. Mir macht es nichts aus zu warten, ich hab nichts Besseres zu tun, und wenn ich ihn sehe und wenn ich es ihm sage, wird er sich sehr darüber freuen. Also holen Sie ihn. Den aus den Nachrichten. Mit einem anderen rede ich nicht.«
    »Falls Sie DCS Serrailler meinen, der ist nicht im Haus, er wird den ganzen Vormittag fortbleiben, und er wird nicht mit Ihnen sprechen, ohne zu wissen, worum es geht.«
    »Er wird mit mir reden. Ich kann warten.«
    Der Mann ging zur Bank an der Wand und nahm Platz. Er bewegte sich vorsichtig, seine Haltung war angespannt, als fürchtete er eine Schmerzattacke. Die Haare am Hinterkopf waren kürzer als die anderen, wirkten wie abgeschoren. Er war struppig, ungepflegt, blass. Weder alt noch jung. Der Sergeant beobachtete ihn eine Weile.

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