Der Toten tiefes Schweigen
House bei Richard und Judith gelassen. Simon öffnete den Reißverschluss der Tasche und reichte Hannah eine Tüte Apfelsaft.
»Ich wollte Ribena.«
»Hannah!«
»Bitte!« Sie seufzte und setzte sich auf den Stein. Simon tauschte die Tüten aus.
Die Herbstsonne schien warm auf ihre Gesichter, berührte die schwebenden Engel des Kathedralenturms in der Ferne und ein weißes Pferd auf einem Feld.
»Wozu sind wir hergekommen?« Sam kehrte ihnen den Rücken zu und sah über die grasbewachsenen Hänge hinunter.
»Weil es einer von Daddys Lieblingsplätzen war und ich mir überlegt habe … Wir sollten einfach nur hier sein und … an ihn denken.«
»Ich denke die ganze Zeit an ihn«, sagte Hannah, »jede Minute, auch wenn ich schlafe.«
»Wenn man schläft, denkt man nicht, Dummie.«
»Ich doch, ich denke an Daddy.«
»Du träumst, wenn du schläfst.«
»Das tu ich auch.«
»Ihm würde es gefallen, wenn wir hier oben sind.«
»Aber nicht ohne ihn.«
»Ich hole die Thermosflasche raus«, sagte Simon.
Am Ende schlenderten Sam und Hannah ein Stück den Hang hinunter und setzten sich auf einen Baumstumpf, sahen sich nicht an, redeten nicht, aber ihre Arme berührten sich leicht.
»Mach dir um sie keine Sorgen.«
»Mache ich auch nicht. Jedenfalls keine großen. Schön, dass du dir ausnahmsweise einmal einen Freitagnachmittag freinehmen konntest.«
»Ich hatte seit Wochen keinen freien Tag, und du weißt ja, was morgen los ist.«
»Du musst doch nicht bei dieser Hochzeit sein, oder?«
»Doch. Falls etwas schiefgeht, will ich mir nicht vorwerfen müssen, nicht da gewesen zu sein.«
»Es wäre nicht deine Schuld.«
»Ich weiß, ich weiß. Chief Constable Devenish geht hin, alle bewaffneten Sondereinheiten aus drei Grafschaften werden an Ort und Stelle sein, der königliche Personenschutz wird verdoppelt. Trotzdem.«
»Nichts wird passieren.«
»Ich weiß.«
»Wie nah kommen die Zuschauer heran? Zu so einer Hochzeit der feinen Gesellschaft kommen doch normalerweise unzählige Schaulustige.«
»Die Absperrung ist auf der anderen Seite der St. Michael’s Street, aber sie werden etwas sehen. Der Lord Lieutenant war unerbittlich. Ich habe es ihm überlassen, das mit dem königlichen Personenschutz abzuklären.«
»Was Camilla wohl tragen wird?«
Simon sah sie verständnislos an. »Schon gehört«, sagte Cat, »sie hat ihn geheiratet.«
Sie trank einen Schluck Tee. Sie hatten alte Porzellanbecher mitgebracht.
»Hast du entschieden, wie du es mit der Beerdigung halten willst?«
Cat seufzte. Chris hatte immer gesagt, er wolle keinen Gottesdienst. Wenn man nicht religiös sei, sagte er, dann gäbe es nichts Besseres als eine schnörkellose humanistische Veranstaltung. Doch das war vor langer Zeit gewesen. Während seiner Krankheit hatte er gar nichts dazu gesagt, und in seinem kurzen, klaren Testament war es nicht erwähnt worden.
»Ich kann nichts ertragen. Einfach … nichts. Aber abgesehen von allem anderen, ist es ein Ritual des Übergangs, das die Kinder brauchen, um darüber hinwegzukommen. Und viele Menschen haben nachgefragt.«
»Ich denke, du solltest das tun, was du willst … Denn es ist jetzt für dich und die Kinder, und ich wette, deshalb hat Chris es offengelassen.«
Überrascht wandte sie sich ihm mit einer Miene zu, die so etwas wie Freude ausdrückte. »So hatte ich es noch nicht gesehen. Glaubst du das wirklich?«
»Absolut. Ganz gleich, woran du glaubst, eine Beerdigung ist für die, die noch leben. Was willst du tatsächlich?«
»Kathedrale. Natürlich. Kein großes Tamtam, aber eine richtige Beerdigung.«
»Dann solltest du genau das tun. Sprich mit ihnen. Was ist mit Chris’ Familie?«
»Die müssen nehmen, was sie bekommen«, sagte Cat. »Tut mir leid.«
»Ich weiß.«
»Da ist noch etwas.«
»Sag es.«
»Dad. Und Judith.«
»Auch die müssen nehmen, was sie bekommen, oder nicht?«
»Das habe ich nicht gemeint.«
Er schwieg. Weiter vorn hatten Sam und Hannah die Köpfe zusammengesteckt und sprachen ruhig miteinander.
»Stell dich nicht an.«
»Nein.«
»Ich glaube, sie werden über kurz oder lang heiraten. Sie sind jetzt mehr oder weniger zusammen. Niemand hat etwas gesagt, es ist nur so eine Ahnung. Und ich möchte, dass du vorbereitet bist, damit du nicht in die Luft gehst.«
»Als würde ich das!«
»Ich meine es ernst. Judiths Tochter heiratet nächstes Jahr im Frühling. Davon hat Judith gestern erzählt. Und Hochzeiten sind gewissermaßen
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