Der Toten tiefes Schweigen
Ich werde Sie für Beginn nächster Woche vormerken. Wir wollen das in den Griff bekommen. Das duldet keinen Aufschub.« Sie stand auf. Chris wandte sich zu Cat um, als wollte er etwas sagen, musste sich stattdessen aber heftig übergeben.
Auf dem Parkplatz sagte er: »Vergiss es nicht.«
Mehr musste Cat nicht hören. »Chris, bitte mich nicht darum. Ich würde alles tun, um dir zu helfen, da durchzukommen.«
»Alles, außer dem, was ich möchte.«
»Du kannst deine Frau oder sonst jemanden nicht bitten, dich umzubringen – ich kann es nicht, ich will es nicht, und du solltest es nicht einmal denken, ganz gleich, was mit dir geschieht. Ich will nicht mehr darüber reden.«
Die ganze Heimfahrt über saß er schweigend neben ihr. Lieber Gott, betete Cat im Stillen, hol uns da raus.
Sie machte einen Eiersalat und Kaffee und deckte den Tisch auf der Terrasse. Es war warm wie im Juni, die Wespen schwebten unverschämt dicht über ihren Tellern, doch die Äste und Blätter des Hornstrauchs am Ende des Gartens wurden bereits rot und leuchteten in der Sonne. Das graue Pony kam im Passgang über die Weide an den Zaun.
Chris sagte: »Ich habe nie verstanden, was Patienten meinten, wenn sie sagten: ›Ich kann es nicht begreifen. Ich habe es nicht begriffen.‹ Jetzt kann ich es verstehen, weil ich es auch nicht begreife.«
»Ja.«
Er legte seine Gabel ab. »Sag mir, was ich tun soll, Cat.«
Sie ergriff seine Hand. Das Gefühl seiner Haut, seines Fleisches und seiner Knochen, die absolute Vertrautheit der Hand dieses Mannes brachte sie aus der Fassung. Sie dachte daran wie an die Hand eines Sterbenden, eine Hand, die sie nicht zu sehr lieben durfte, da sie ihr genommen würde. Es war unvorstellbar.
»Das Beste wäre, du tust, was sie gesagt hat. Sie war ein Miststück. Sie sollte in einem Labor arbeiten und nicht mit Menschen zu tun haben – weiß der Himmel, wie andere Patienten mit ihr klarkommen, total verstört von allem dort, nicht nur von der Aussicht, was mit ihnen passieren könnte, sondern von dem Jargon und den Abläufen. Sie sollte nie im Leben wieder mit einem Patienten sprechen dürfen. Aber sie hatte recht. Du musst tun, was sie gesagt hat. Das weißt du.«
»Hat es überhaupt einen Sinn? Wie lange wird es dauern – sechs Monate? Höchstens. Will ich die Zeit damit verbringen, mich von einer Gehirnoperation zu erholen, erschöpft von Bestrahlungen? Dessen bin ich mir nicht sicher.« Er klang unendlich schwach, selbst in diesem Stadium, zu müde, sich um irgendetwas zu kümmern.
»Ja. Sie müssen eine Biopsie vornehmen. Sie können die Größe des Tumors reduzieren.«
»Um Zeit für mich zu gewinnen.«
»Was ist daran falsch?«
»Oh, absolut nichts – was mich betrifft.«
»Operation und Bestrahlung werden dir Zeit schenken – und gute Zeit, Chris. Vielleicht eine ziemlich lange Zeit. Und wenn er sich in der Biopsie als gutartig erweist …«
»Das wird er nicht. Das sind sie nie.«
»Quatsch, und das weißt du.«
»Ach ja? Wie sagen wir Ärzte doch? Höre auf die Patienten, sie werden dir die Diagnose liefern. Also höre auf mich.«
Sie legte die Finger leicht auf seinen Handrücken und prägte sich das Gefühl ein. Sie sagte: »Warum hast du es mir nicht gesagt?«
»Sinnlos.«
»Chris, ich bin deine Frau.«
»Du hättest es schon herausgefunden. Warum sollte ich uns die letzten Tage in Australien verderben, warum sollte ich dich damit behelligen, bevor es unvermeidlich war?«
Sie sah ihn an. Braunes Haar. Braune Augen. Lange Nase. Breiter Mund. Flache Ohren. Nicht gutaussehend. Nicht hässlich. Kein Gesicht, das sich aus der Menge hervorhob. Kein Gesicht, das jemand sah und nicht mehr vergessen konnte. Chris’ Gesicht.
Er nahm ihre Hand und drückte sie sich gegen die Wange.
»Die Sache ist die«, sagte er, »es geht nicht nur darum, dass ich dich nicht verlassen will und die Kinder nicht verlassen will. Ich will sie heranwachsen sehen. Ich will nicht, dass ich nicht hier bin, tun, was wir tun, hier an dieser Stelle. Es geht nicht einmal darum, dass ich … nicht sterben will.«
Sie spürte die Bartstoppeln auf seiner Haut. Sie dachte, wenn sie es versuchte, könnte sie sogar den Blutfluss darunter spüren.
Sie schwieg. Wartete. Was es auch war, er musste es sagen. Ihr sagen. Was es auch war.
Doch er blieb stumm. Er hielt ihre Hand noch ein wenig an sein Gesicht, dann ließ er los, stand auf und schlenderte durch den Garten auf die Weide zu. Cat beobachtete ihn
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