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Der Toten tiefes Schweigen

Der Toten tiefes Schweigen

Titel: Der Toten tiefes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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Woods und schoss Tauben, und nach den Tauben nahm er sechs leere Blechbüchsen und stellte sie auf, schoss darauf, bis er die ganze Reihe, Nummer eins bis sechs, ohne Fehlschuss schaffte. Jedes Mal wenn eine hinunterfiel, war es einer von ihnen. Ihr Vater. Ihre Mutter. Schwester. Großmutter. Kleiner Bruder. Dann sie. Sie kam immer zuletzt dran. Wenn er sie alle hinuntergeschossen hatte, stellte er sie in derselben Reihenfolge auf und schoss erneut.
    Eine Woche.
    Er hatte Zeit bis zum frühen Abend, halb sieben, dann wusste er, dass sie von der Arbeit zu Hause war.
    Der Abend war schön, warm, ruhig, frische Luft auch mitten in der Stadt. Er hatte den Wagen weiter oben abgestellt und war hinuntergeschlendert. Zwei Kinder hatten mitten auf der Straße vor ihrem Haus Fahrradkunststücke gemacht. Er hatte eine Weile gewartet und ihnen dann gesagt, sie sollten verduften. Er wollte keine Kinder in der Nähe haben, auch wenn er ihr nur Angst einjagen wollte. Ihnen allen. Kinder sollten nicht hineingezogen werden.
    Er konnte seiner Wut jetzt vertrauen. Sie war unter Kontrolle. Er würde Alison Angst einjagen, mehr nicht. Er wollte ihr Gesicht sehen, wie sie ihn anschauen würde, was sie versuchen würde zu sagen. Dann die Angst sehen.
     
    Während er ging, fragte er sich, warum er das machte, denn er liebte sie trotz allem. Er hatte nie gedacht, dass er einmal solche Gefühle haben würde wie für Alison, er hatte sie noch immer, und sein Wutkloß war Teil dieses Gefühls. Er war den ganzen Weg auf einer Straßenseite gegangen, hatte auf ihr Haus geschaut, als er vorbeigelaufen war, dann auf der anderen Seite wieder zurück. Das Tor war blau gestrichen, ziemlich leuchtend. Er sah, wie das Blau ihn anstarrte.
    Er war immer langsamer geworden, bis er kaum noch einen Fuß vor den anderen setzte, als er sich dem blauen Tor näherte.
    In der Einfahrt parkte kein Auto.
    Er hatte dort gestanden, die Hand auf dem Tor, und seine Wut geschluckt. Dann hatte er eine Bewegung am Fenster gesehen, hinter der Gardine. Er hatte das blaue Tor aufgestoßen.
    Sie musste die Treppe hinuntergelaufen sein und gewartet haben, denn als er die Hand hob, um anzuklopfen, machte sie die Tür weit auf.
    Georgina.
    Er spürte ihre Angst. Sie hielt sie zurück, schob Trotz vor, doch ihre Augen waren überall, auf ihm, hinter ihm, über seine Schulter hinweg.
    »Sie ist nicht da.«
    »Das glaube ich dir nicht. Ich will mit ihr sprechen, Georgie. Sag ihr das.«
    »Sie ist aber nicht da.«
    »Lass mich rein, damit ich mich selbst überzeugen kann.«
    »Das geht nicht. Sie will dich sowieso nicht sehen, sie will nichts mehr mit dir zu tun haben, das hat sie dir doch gesagt.«
    Er versuchte, sie beiseitezuschieben, doch dann war noch jemand da, ein Mann, den er noch nie gesehen hatte, direkt hinter ihr.
    »Das ist mein Onkel Gordon«, sagte sie. »Sag ihm, dass Ally nicht hier ist.«
    Der Mann war nicht groß, aber untersetzt und muskulös, wie ein kleines, dickes Fass, die Arme verschränkt. Er wäre leicht mit ihm fertig geworden, doch dafür war er nicht hergekommen.
    »Alison ist nicht hier«, sagte der Onkel. »Kriegst du das nicht in deinen Schädel?«
    »Ich will sie sehen, mehr nicht. Ich habe ein Recht auf eine Erklärung.«
    »Die hast du bekommen.«
    »Wenn sie nicht hier ist, wo ist sie dann?«
    »Kümmer dich …«
    »Nein, schon gut, Onkel Gordon, ich werde es ihm sagen. Er sollte es wissen.«
    »Was?«
    Sie entfernte sich von der Haustür und ging ein paar Schritte die Einfahrt hinunter. Er folgte ihr.
    »Hör zu, sie ist nicht hier, und das ist die reine Wahrheit. Sie ist schon seit ein paar Tagen nicht mehr hier. Sie ist fort, und sie ist nicht allein. Sie ist mit Stuart zusammen. Deshalb gehst du jetzt lieber.«
    »Wo ist sie? Wo? Wo?« Er spürte, dass er zu zittern begann, spürte, wie die Wut aus ihren engen Grenzen ausbrach. »Ich habe ein Recht darauf, es zu erfahren.«
    »Nein«, sagte Georgina, »nein, das hast du nicht. Mehr sage ich nicht, und komm nicht wieder hierher.« Sie drehte sich um.
    Er packte sie am Arm. »Wenn ich ihr einen Brief schreibe, wirst du ihn weiterleiten?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Er zögerte. Er wollte Georgina nicht verletzen. Er wollte Alison nicht verletzen. Doch andere würden leiden. Andere. Andere würden nie das Glück schmecken.
    Er riss sich zusammen. »Danke«, brachte er hervor, »danke, Georgie.«
     
    Er schlenderte die Einfahrt hinunter, schloss das leuchtend blaue Tor hinter sich und ging

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