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Der Toten tiefes Schweigen

Der Toten tiefes Schweigen

Titel: Der Toten tiefes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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schnell die Straße hinauf, jetzt zitterte er, jetzt drehte er fast durch, rannte beinahe eine alte Frau um, die an ihm vorbeiging, stieß sie fast zu Boden. Er war wütend auf sich selbst. Er sollte so nicht denken. Er musste sich beherrschen.
    Er ging an seinem Wagen vorbei, immer weiter, schnell und gleichmäßig, drei Kilometer, beliebig in Straßen hinein und hinaus, redete mit sich selbst, beruhigte sich, zügelte sich allmählich. Es war, als wollte man ein wildes Pferd in den Griff bekommen, doch am Ende hatte er das Gefühl, es geschafft zu haben.
    Er wanderte, bis er an eine Eckkneipe kam, und ging hinein. Die eine Hälfte von ihm wollte sich sinnlos betrinken. Er bestellte ein Pint Guinness und setzte sich. Er trank langsam. Seine Hände zitterten, doch es gelang ihm, auch das zu unterdrücken.
    Als er das Glas zur Hälfte geleert hatte, begann er nachzudenken, kühl, rational, Punkt für Punkt, und versuchte, sich einen klaren Plan zurechtzulegen. Als das Glas leer war, hatte er einen Anfang gemacht.
    Er gestattete sich kein weiteres Bier.

[home]
    Siebenundvierzig
    E in Gewitter hing in der Luft. Die schmale Straße, die sich den Abhang zum Krematorium hinaufwand, war regennass, daher fuhren die Wagen noch langsamer. Drei Fahrzeuge.
    Jane Fitzroy wartete, stellte sich unter den Vorbau, der Regen fiel schräg auf die Rasenflächen. Der Leichenwagen. Dahinter ein anderer Bestattungswagen. Und Cat Deerborns dunkelgrüner Peugeot. Und dann, viel weiter hinten, bog noch ein kleiner, verbeulter Kastenwagen in die Toreinfahrt.
    Der Leichenwagen knirschte langsam über den Kies auf sie zu. Hielt neben ihr an. Auf dem hellen Holzsarg lagen ein kleiner weißer Strauß, ein Kranz aus Rot und Gold und dahinter prunkvolle Lilien und dunkelgrüner Efeu, dominierend und extravagant.
    Jane warf einen Blick auf die Karte, als der Sarg aus dem Wagen glitt.
»Liebste Karin, unsere Liebe und unser Dank für all die wunderbaren Dinge, die du für uns geschaffen hast, für deine warmherzige, treue Freundschaft. Du hast uns zu früh verlassen. Cax und Lucia.«
    Ein älteres Ehepaar stieg aus dem Auto hinter dem Leichenwagen. Dann Cat. Und aus dem Kastenwagen ein junger Mann, unbeholfen in einem Anzug.
    Jane zögerte. Viele Menschen bei einer Beisetzung bedeutete nicht unbedingt, dass es eine Menge liebevoller Freunde waren, weit gefehlt, aber diese Gruppe erschien ihr erbärmlich klein. Karin hatte Anweisungen für ihre Beerdigung hinterlassen. Die Musikstücke. Kirchenlieder. Lesung aus Christopher Lloyds Gartenbüchern. »Wenn Du den Gottesdienst leitest, Jane, dann weiß ich, dass Du die richtigen Gebete aussuchen wirst.« Sie hoffte, dass es ihr gelungen war.
    Sie drehte sich um und ging zu den ersten Klängen von »Jesus, meine Zuversicht« hinein. Dabei hörte sie, wie ein Wagen in schnellem Tempo über die Zufahrtsstraße kam. Sie hoffte, Karins Ex-Mann hätte seinen Entschluss, nicht teilzunehmen, noch einmal überdacht, ging aber weiter in die kleine, kahle Kapelle, ohne sich umzuschauen.
    Sie sprach das Anfangsgebet, doch als Cat aufstand, um eine Passage zu lesen, die Karin aus
The Well-Tempered Garden
ausgewählt hatte, schaute Jane auf, und ihr Blick fiel direkt auf Simon Serrailler. Er sah sie an. Sie blickte rasch zur Seite zu Cat, auf die Blumen am Sarg, auf den Boden. Er hatte sich auf einen Platz in der zweiten Reihe gleiten lassen.
    Cat las gut, sorgfältig und langsam.
    Jane sah sie unentwegt an, bis sie zum Ende kam, und war sich plötzlich wütend bewusst, dass ihr Gesicht rot angelaufen war. Aber ihre Stimme blieb ruhig.
    »Karin hat sich das Lied ›Der Herr ist mein getreuer Hirt‹ gewünscht. Das ist nicht leicht zu singen, wenn nur wenige Stimmen vorhanden sind, daher haben wir eine aufgezeichnete Gemeindeversion ausgewählt, in die wir einstimmen können. Ich hoffe, es hört sich nicht so arg nach Karaoke an.«
    Eigenartig, aber es ging. Die Stimmen vom Band stimmten das Lied an, und die echten Stimmen der Anwesenden waren deutlich darüber zu hören. Ein Kompromiss, aber besser, dachte Jane, als eine schwache, dünne Wiedergabe, die alle in Verlegenheit bringen würde.
    Der Regen trommelte auf das Dach der Kapelle, als das Lied zu Ende war. Sie hatte Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, und sie schämte sich dafür, war wütend, dass sie sich durch Simons Anwesenheit derart aus der Ruhe bringen ließ, und wünschte, er wäre nicht gekommen, wollte an Karin denken. Und was hätte die gesagt? Ein

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