Der Totenerwecker (German Edition)
McCarthy. Wenn er das, was wir auf dem Video gesehen haben, wirklich getan hat, gibt es auch Indizien.«
»Aber Sie haben doch gehört, was die Staatsanwältin gesagt hat. Dales Anwalt wird alles, was wir finden, aufgrund dieses Videos für ungültig erklären lassen.«
Sarah schüttelte den Kopf. Wäre es nicht so zum Kotzen, hätte sie darüber lachen können. Sie verfügten über ein Video, das bewies, wie Dale sie beide vergewaltigte und umbrachte. Eigentlich musste das ausreichen, um ihn bis ans Ende seines Lebens einzusperren, aber stattdessen war es genau das, was ihn vor dem Gefängnis rettete.
»Wir werden etwas finden. Wir geben nicht auf. Und in der Zwischenzeit sollten Sie nichts Unbesonnenes tun.«
Das richtete sich an Joshs Adresse. Sein finsteres Gesicht ließ sich kaum übersehen. Sarahs Mann blieb ungewöhnlich ruhig. Er folgte der Unterhaltung, aber seine Augen waren weit weg. Sarah wusste, wo. Sie wusste, was in ihm vorging. Er überlegte, wie er Dale umbringen und damit davonkommen konnte. Josh war nicht der Typ, der jemanden kaltblütig erschoss und dann den Rest seines Lebens im Knast verbrachte, nicht, wenn es einen anderen Weg gab. Er suchte nach einer Möglichkeit, es zu tun, ohne dass er dafür hinter Gitter wanderte. Nach allem, was heute geschehen war, galt er automatisch als Hauptverdächtiger, wenn Dale unerwartet verschwand oder man seine mit Einschusslöchern übersäte Leiche fand.
»Ich habe es nicht eilig, mich einbuchten zu lassen.«
Joshs Stimme war flach und ohne jegliche Emotion. Sie klang fast roboterhaft. Langsam drehte er sich um und ging zur Tür. Seine Augen starrten glasig in die Ferne, als nähme er nur beiläufig die Anwesenheit der anderen Menschen im Raum wahr.
»Passen Sie auf, dass er keinen Mist baut«, schärfte Lassiter Sarah ein. »Er kann im Moment nicht klar denken. Wer könnte das schon, nach dem, was wir da mitangesehen haben? Aber das bewahrt ihn nicht vorm Gefängnis, wenn er McCarthy etwas antut.«
»Ich werde dafür sorgen, dass er nichts anstellt.«
Sarah wusste nicht, ob sie ihn davon abhalten konnte, Dale zu töten, wenn er es sich wirklich in den Kopf setzte. Aber es war nicht ihre körperliche Stärke, die ihr Sorgen bereitete, sondern ihre Willenskraft. Würde sie ihn überhaupt aufhalten wollen? Das Einzige, was sie zaudern ließ, war die Furcht, dass Josh es möglicherweise nicht schaffte, Dale zu töten, und er dann ins Gefängnis wanderte, während Dale auf freiem Fuß blieb.
Es war schon nach Mitternacht, als sie das Revier verließen. Auf der Fahrt nach Hause herrschte angespanntes Schweigen. Trotz der späten Stunde war die Schnellstraße noch voller Fahrzeuge, die zu den Casinos und Nachtclubs oder von dort nach Hause fuhren. Sarah beobachtete Josh, der starr nach vorn blickte. Sie fragte sich, wie viel er wohl von der Straße mitbekam, und wie viel er noch vom Video vor Augen hatte. Josh schnitt eine Grimasse und schlug mit der Faust auf das Armaturenbrett. Tränen rannen durch die Furchen und Linien seines Gesichtes zu seinem Kinn.
»Es tut mir so leid«, sagte Sarah.
»Ist es wirklich geschehen? Ist d-das ... das da ... wirklich geschehen?«
Sarah nickte.
»Dieses Schwein! Dieses dreckige kleine Schwein! Und ich komme in den Knast, wenn ich ihn umbringe? Soll das etwa richtig sein?«
»Nein. Es ist absolut nicht richtig. Aber ich kann ohne dich nicht leben, Josh. Ich will Kinder mit dir haben, und das geht nicht, wenn du im Gefängnis sitzt.«
»Aber was soll ich denn machen? Er hat dich vergewaltigt! Er hat meine Frau vergewaltigt, und er ... er ... Scheiße! Er hat mich auch vergewaltigt! Warum zur Hölle kann ich mich daran nicht erinnern? Wie kommt es, dass du es kannst und ich nicht?«
»Ich kann’s doch auch nicht. Jedenfalls nicht so richtig. Und ich glaub auch nicht, dass Dale damit gerechnet hat, dass ich mich erinnere. Er kam mir überrascht vor. Wahrscheinlich dachte er, er kommt damit durch. Und ich wette, er hat früher schon so etwas getan. Er schien seiner Sache so verdammt sicher zu sein. Das war nicht das erste Mal.«
»Dieses widerliche Arschloch!« Erneut hämmerte Josh mit der Faust aufs Armaturenbrett.
»Also, was machen wir jetzt?«
»Wir stellen ihm eine Falle. Wir erwischen ihn dabei, wie er sich ins Haus schleicht, und pusten ihm die Rübe weg.«
»Aber wie kommt er rein? Woher wusste er, dass wir geschlafen haben?«
Sarah dachte eine Weile darüber nach. Sie dachte an Überwachungskameras,
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