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Der Totengarten

Der Totengarten

Titel: Der Totengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Pelecanos
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vorstellen?«
    »Für ihn ist es nichts Außergewöhnliches, an Gott zu denken.«
    »Ich meine, man würde doch denken, wenn jemand sein Kind auf eine solche Art verloren hat, verliert er entweder völlig den Glauben, oder er ist so wütend auf Gott, dass er sich von ihm abwendet.«
    »Terrance wird jetzt mehr als je zuvor Halt in Gott suchen. So ist das mit dem Glauben.«
    »Du redest wie Rhonda.«
    »Wir schwarzen Frauen haben eben einen Hang zur Kirche.«
    »Regina?«
    »Ja?«
    »Weißt du, wegen Asa … Der Name liest sich vorwärts und rückwärts gleich. Es ist ein Palindrom.«
    »M-hm.«
    »Du warst doch selbst dabei, damals, als diese Jugendlichen aus Southeast ermordet wurden.«
    »Ich war noch in der Ausbildung, aber, ja, ich erinnere mich.«
    »Diese Kids hat man auch in Gemeindegärten gefunden. Und sie wurden durch Kopfschüsse getötet, alle.«
    »Denkst du, da besteht eine Verbindung?«
    »Ich muss darüber schlafen. Ich glaube, morgen werde ich ein paar alte Akten ausgraben.«
    »Morgen. Aber jetzt vergiss das Ganze.«
    Nach einer Weile sagte Ramone: »Diego scheint es ganz gut zu verkraften. Er wird es nie vergessen, aber er wird darüber hinwegkommen.«
    »Er hatte sowieso einen harten Tag. Zu allem Übel haben sie ihn schon wieder früher nach Hause geschickt -«
    »Weil er während eines Übungsalarms gelacht hat. Ich möchte gern mal wissen, wie viele weiße Kinder gelacht haben.«
    »Aber Gus. Gib nicht den weißen Kindern die Schuld.«
    »Diese verdammte Schule«, grollte Ramone. »Ich habe langsam genug von dem Dreck.«
    »Reg dich nicht auf«, redete Regina ihm zu, strich ihm das Haar aus der Stirn und gab ihm einen Kuss hinters Ohr. »Du bekommst noch Herzrasen, und dann kannst du nicht schlafen.«
    Sie nahmen einander in die Arme, und er spürte, wie sein Atem ruhiger wurde. Und während er sie hielt und ihren Geruch wahrnahm, diesen ganz besonderen Duft, und die samtige Haut ihrer Wange an seiner fühlte, dachte er: Das ist der Grund, weshalb ich mit dieser Frau verheiratet bin.
    So wie jetzt wird es niemals mit irgendeinem anderen Menschen sein.

SECHZEHN
    Asa Johnsons Tod schaffte es am nächsten Morgen auf die zweite Seite des Lokalteils in der Washington Post. Das Ereignis war gewichtiger als die üblichen Erwähnungen gewaltsamer Tode von Schwarzen in einem oder zwei Absätzen in der Rubrik »Verbrechen« oder »In Kürze«, die viele salopp als »Negermorde» bezeichneten. Johnson war schließlich kein gefährdeter Jugendlicher gewesen. Er war ein Teenager aus einer Mittelschichtfamilie, und noch dazu ziemlich jung. Für die Presse war er besonders interessant, weil sein geringes Alter einem beunruhigenden Trend entsprach.
    Im Hochsommer war ein sechsjähriger Junge, Donmiguel Wilson, in einer Wohnung in Congress Heights gefesselt, geknebelt und erstickt mit dem Gesicht nach unten in einer Badewanne aufgefunden worden, mehrere Stunden nach seinem Tod. Über dieses grauenhafte Ereignis war auf der Titelseite der Post berichtet worden. Auch Donte Manning, neun Jahre alt, der beim Spielen vor dem Haus in Columbia Heights willkürlich erschossen worden war, hatte im Frühjahr für großes öffentliches Aufsehen gesorgt. Die Mordrate war in diesem Jahr zwar gesunken, Morde an Kindern und Jugendlichen waren jedoch häufiger als je zuvor.
    Die Statistik bereitete sowohl dem Bürgermeister als auch dem Polizeichef von D.C. Kopfzerbrechen. Was ihnen Sorgen machte, war nicht nur die schlechte Presse; die kam natürlich erschwerend hinzu. Schließlich überlief jeden, selbst den Hartherzigsten, ein kalter Schauder, wenn ein Kind ermordet wurde, vor allem, bloß weil es im falschen Stadtteil lebte. Wann immer ein Kind auf gewaltsame Weise starb, wurden Polizei, Politiker und Bürger gleichermaßen daran erinnert, dass die Welt, in der sie lebten, entsetzlich aus den Fugen geraten war.
    Dennoch erfuhr Asa Johnsons Tod – offiziell sprach man noch nicht von Mord – nicht dieselbe Aufmerksamkeit wie Fälle mit weißen oder jüngeren Opfern. Es gab schließlich noch andere Morde. Gerade in den letzten paar Tagen waren mehrere Leichen aufgefunden worden.
    Rhonda Willis leitete die Ermittlungen in einem dieser Fälle. Das Opfer war, ebenfalls erschossen, nachts im Fort Slocum Park entdeckt worden, nur wenige Blocks westlich des Gemeindegartens an der Oglethorpe Street.
    »Willst du mit mir rausfahren?«, fragte Rhonda, die an ihrem Schreibtisch im VCB saß. Es war früh am Morgen, noch vor neun. Gus

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