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Der Totengarten

Der Totengarten

Titel: Der Totengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Pelecanos
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nächster Nähe abgefeuert worden waren. Der Tote lag auf dem Rücken, ein Bein in einem unnatürlichen Winkel unter dem anderen abgeknickt. Seine offenen Augen starrten ins Leere, die oberen Vorderzähne waren entblößt und ragten wie bei einem geschlachteten Tier über die Unterlippe. Er war am Rand des Parks bei der Kreuzung von 3rd und Madison gefunden worden. Sein weißes T-Shirt war von Blut durchtränkt, das mittlerweile eingetrocknet war.
    »Neunzehn Jahre alt«, sagte Rhonda Willis. »Hat eine lange Jugendstrafe in Oak Hill abgesessen und einige Zeit in Untersuchungshaft in D.C., während er auf seine Verurteilung wartete. Autodiebstähle, Drogenbesitz, kleinere Betrügereien. Keine aktenkundigen Gewaltverbrechen. Er ist in der Gegend um 5 th und Kennedy aufgewachsen, du weißt, was das bedeutet. Gemeldet ist er bei seiner Großmutter an der Longfellow.«
    »Wurde die Familie schon benachrichtigt?«, fragte Ramone.
    »Soweit man von Familie sprechen kann. Die Mutter ist derzeit inhaftiert. Eine Drogenabhängige, bereits mehrfach wegen Diebstahls verurteilt. Der Vater ist unbekannt. Es gibt ein paar Halbgeschwister, aber die haben nicht im selben Haushalt gelebt. Die nächste Verwandte ist seine Großmutter. Sie wurde telefonisch verständigt.«
    Sie redeten mit dem Streifenpolizisten vom 4D, der als Erster am Tatort eingetroffen war, fragten ihn, ob er mit jemandem gesprochen habe, der möglicherweise etwas gesehen hatte, oder ob er selbst etwas beobachtet habe, was mit dem Mord zusammenhängen könnte. Der Polizist schüttelte den Kopf.
    »Ich denke, hm, wir müssen wohl nach Zeugen suchen«, schlug Ramone vor.
    »Ich bitte dich«, widersprach Rhonda. »Lass uns erstmal die Oma besuchen gehen und die guten Leute hier nicht bei ihrer Arbeit stören.«
    Sie überließen den Tatort wieder der Spurensicherung und fuhren zum Reihenhaus der Großmutter am 500er-Abschnitt der Longfellow Street. An den Fenstern zur vorderen Veranda waren die Jalousien heruntergelassen.
    »Ich nehme an, sie weint sich erst mal richtig aus«, sagte Rhonda.
    »Du könntest später wiederkommen«, schlug Ramone vor.
    »Nein, früher oder später muss ich da ohnehin durch, also warum nicht gleich? Wer weiß, vielleicht hat sie mir ja was zu sagen.«
    Rhonda sah Ramone an. »Ich nehme nicht an, dass du mit reinkommen willst.«
    »Ich habe ein paar Anrufe zu erledigen.«
    »Dann wird es wohl ein Alleingang.«
    Er beobachtete, wie sie zum Haus ging und anklopfte. Die Tür wurde geöffnet, dahinter war es dunkel. Eine Hand wurde herausgestreckt, berührte die ihre, und Rhonda trat ein.
    Ramone rief zuerst die Auskunft an und ließ sich die Nummer von Strange Investigations geben, einer kleinen Detektei an der Kreuzung von 9th und Upshur. Derek Strange war ein ehemaliger Polizist, jetzt Privatdetektiv. Ramone hatte sich schon früher von ihm diskret Informationen beschafft. Im Gegenzug warf er Strange gelegentlich auch ein paar Brocken hin.
    Das Rufzeichen ertönte, dann meldete sich eine weibliche Stimme. Es war Stranges Frau Janine.
    »Ist der Chef zu sprechen?«, fragte Ramone.
    »Der arbeitet«, erwiderte Janine. »Ist nur selten hier. Ihr Jungs seid doch alle ständig unterwegs.«
    »Stimmt. Hören Sie, ich habe hier einen Namen. Können Sie mir die Adresse und Telefonnummer dazu beschaffen? Ich brauche sowohl die geschäftlichen als auch die privaten Kontaktdaten.«
    »Bei all dem Spielzeug, das Sie da bei der Polizei haben, fragen Sie mich nach so was?«
    »Ich bin gerade nicht im Spielzeugladen«, erklärte Ramone. »Daniel Holiday, schreibt sich wie die Ferien. Spitzname Doc, hat einen Fahrservice, soweit ich gehört habe. Und wie ich ihn kenne, hat er sein Geschäft nach sich selbst benannt.«
    »Okay, ich werd mal sehen, was der People Finder ausspuckt. Geben Sie mir Ihre Handynummer. Ich habe sie zwar hier irgendwo bei den Unterlagen, will sie aber nicht raussuchen.«
    Ramone nannte ihr die Nummer. »Wie geht es Ihrem Jungen?«
    »Lionel ist jetzt auf dem College, dem Himmel sei Dank. Und Ihre reizende Frau und die Kinder?«
    »Alle wohlauf. Haben Sie den Boxer noch?«
    »Sie meinen Greco – der liegt unter meinem Schreibtisch. Hat gerade sein Kinn auf meine Zehen gelegt.«
    »Nettes Tier«, sagte Ramone. »Also dann, rufen Sie mich zurück, ja?«
    »In einer Minute«, versprach Janine.
    Es dauerte länger als eine Minute, aber nicht viel. Ramone notierte sich die Kontaktdaten auf seinem Block und bedankte sich. Wenig später

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