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Der Totenleser

Der Totenleser

Titel: Der Totenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Garrido
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Außerdemhabe ich mein gesamtes Instrumentarium und meine Bücher im Palast.«
    »Das sind doch Kleinigkeiten!«, unterbrach ihn Feng. »Ich würde es mir nicht verzeihen, dich nach all der Zeit einfach gehen zu lassen. Wir werden dafür sorgen, dass deine Sachen herübergebracht werden.«
    Verzweifelt dachte Ci nach, wie er aus seiner Zwickmühle herauskäme, während die anderen sich unterhielten. Er betrachtete Fengs faltenzerfurchtes Gesicht. Bei dem Gedanken, unter demselben Dach zu leben wie er, brannte sein Herz, und so war er erleichtert, als Kan aufstand und Ci bat, ihn zu begleiten. Feng und Iris folgten ihnen bis zur Tür.
    »Auf Wiedersehen«, verabschiedete sich Feng.
    Ci erwiderte seinen Gruß, doch er betete, dass es ihm vorher gelänge, auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.
    * * *
    Auf dem Weg zum Kaiserlichen Palast verlieh Kan seiner Freude über die glückliche Fügung dieser Zusammenkunft Ausdruck.
    »Verstehst du nicht?« Er rieb sich die Hände. »Du wirst die Gelegenheit haben, in die Geheimnisse dieser Frau einzudringen.«
    »Bei allem Respekt, Exzellenz. Das Gesetz verbietet kategorisch, dass ein Untersuchungsbeamter im Haus eines Verdächtigen wohnt.«
    »Das Gesetz …«, rief Kan aufgebracht. »Diese Regel soll lediglich verhindern, dass der Ermittler durch die Familie korrumpiert wird, doch wenn die nicht wissen, dass sie observiert werden, können sie schlecht jemanden bestechen. Außerdem bist du kein Richter.«
    »Es tut mir leid«, sagte Ci. »Ich werde weiter ermitteln, wenn Ihr es so wollt, aber ich werde nicht im Haus dieser Frau schlafen.«
    »Hör mir mal gut zu, Junge. Das ist eine einzigartige Gelegenheit! Und du wirst tun, was ich von dir verlange!«
    Kan funkelte ihn mit seinem einen Auge böse wie ein Raubtier an.
    Ci versuchte, ihn mit dem Argument zu überzeugen, dass er nicht das Vertrauen des Mannes missbrauchen konnte, für den sein Vater gearbeitete hatte. Dadurch würde er seinen Vater, Richter Feng und sich selbst entehren.
    »Und zugunsten dieses Vertrauens lässt du zu, dass seine eigene Frau ihn ins Verderben stürzt? Früher oder später wird ihre Tücke ans Licht kommen, und das wird sich auch auf Feng auswirken und ihn zu Fall bringen wie eine Marionette ohne Fäden … Im Übrigen steht weit mehr auf dem Spiel als die Ehre eines alten Richters«, fügte der Einäugige scharf hinzu. »Der Kaiser ist in Gefahr!«
    »Tut was Ihr für richtig haltet, doch ich werde dieses Spiel nicht mitspielen.«
    Kan schwieg, und Ci wusste, dass er sich einen Todfeind auf Lebenszeit geschaffen hatte. Eine unbeschreibliche Furcht stieg in ihm auf.
    * * *
    Hastig suchte Ci seine Siebensachen. Er musste fliehen, und wenn er sich beeilte, konnte er es schaffen. Er musste nur Bo rufen und einen Vorwand finden, damit er ihn aus diesen Mauern hinausgeleitete. Er rief einen Diener und trug ihm auf, den Kaiserlichen Berater zu informieren.
    Er würde Lin’an für immer verlassen.
    Als er das Klopfen an der Tür hörte, griff er rasch nach einer kleinen Mappe, in die er seine Notizbücher legte. Er erklärte Bo, dass es notwendig sei, noch einmal die Werkstatt des Bronzefabrikanten aufzusuchen. Bo argwöhnte nichts. Sie verließen den Palast und näherten sich den Mauern. Ci fürchtete, dass ein unbekannter Arm sie jeden Moment zurückhalten könnte, und beschleunigte seinen Schritt. Als sie die erste Mauer passieren wollten, gebot ihnen eine Wache Einhalt. Bo zeigte dem Posten die Kaiserlichen Siegel.
    Der Wachmann ließ sich Zeit, in aller Ruhe studierte er die Passierscheine. Dann musterte er Ci. Nach einer gefühlten Ewigkeit gab er ihnen den Weg zur zweiten Mauer frei. Sie gingen weiter. An der zweiten Kontrolle hielt sie eine weitere Wache auf. Bo holte erneut die Siegel hervor, während Ci zur Seite blickte. Der Wachmann beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Cis Kiefer mahlten. Es war das erste Mal, dass man ihnen an der Mauer Schwierigkeiten machte. Die Wache verschwand und kam kurz darauf mit den Passierscheinen in der Hand zurück. Ci wollte sie zurücknehmen, doch der Mann hielt die Papiere fest.
    »Sie tragen die Unterschrift des Strafrates«, sagte Ci widerstrebend.
    Das schien den Wachmann nicht zu beeindrucken.
    »Folge mir in den Turm«, befahl er.
    Ci gehorchte. Als er die letzte Stufe der niedrigen Treppe genommen hatte und in den engen Raum trat, fuhr er zurück. Breitbeinig auf einem Stuhl sitzend, empfing ihn Kan. Er griff nach den Papieren, die der Wachposten ihm

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