Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Totenleser

Der Totenleser

Titel: Der Totenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Garrido
Vom Netzwerk:
eine letzte Verteidigung.« Er setzte sich wieder und erteilte Ci das Wort.
    Ci verneigte sich vor dem Kaiser.
    »Ehrenwerter Herrscher.« Ein Hustenanfall schüttelte ihn. Bo machte Anstalten, ihm zu helfen, doch eine Wache hielt ihn zurück. Ci holte Luft und fuhr fort: »Vor allen Anwesenden muss ich meine Schuld gestehen. Eine Schuld, die mir die Eingeweide zerfrisst.« Wieder ging ein Raunen durch den Saal. »Der Ehrgeiz … Ja, der Ehrgeiz hat mich blind gemacht und unfähig, die Lüge von der Wahrheit zu unterscheiden. Ich war dumm genug, mein Herz und meine Träume einem Mann anzuvertrauen, der wie niemand sonst Heuchelei und Bösartigkeit verkörpert. Einer Schlange, die den Betrug zu ihrem Lebenselixier gemacht hat und den Tod bringt. Ich habe mich dem Mann ausgeliefert, der mir Vorbildund zweiter Vater war und von dem ich heute weiß, dass er ein Verbrecher ist.«
    »Halte deine Zunge im Zaum«,warnte ihn der älteste Würdenträger. »Alles, was du gegen einen Beamten des Kaisers vorbringst, richtet sich gegen den Kaiser selbst!«
    »Ich weiß.« Ci hustete wieder. »Und ich kenne die Konsequenzen«, sagte er trotzig.
    »Aber Majestät! Werdet Ihr dieser Kreatur Glauben schenken?«, rief Feng. »Er wird lügen und verleumden, um seine Haut zu retten.«
    Der Kaiser runzelte die Stirn. »Feng hat recht. Beweise deine Behauptungen, oder ich werde deine sofortige Hinrichtung anordnen.«
    »Ich versichere Euch, Majestät, dass es nichts auf der Welt gibt, das ich lieber täte.« Ci schluckte, dann blickte er entschlossen auf. »Darum werde ich Euch beweisen, dass ich es war und nicht Grauer Fuchs, der entdeckte, dass es sich bei Kans Tod um einen Mord handelte, dass ich es war, der Feng diese Tatsache enthüllte, und dass dieser es, anstatt es an Eure Majestät weiterzugeben, zu Grauer Fuchs trug.«
    »Ich warte«, drängte Nin Zong.
    »Gestattet mir, Eurer Majestät eine Frage zu stellen.« Ci wartete die Erlaubnis ab. »Ich vermute, Grauer Fuchs wird Euch die einzelnen Details enthüllt haben,die zu seiner wunderbaren Entdeckung führten.«
    »In der Tat, das hat er«, antwortete der Kaiser.
    »So außergewöhnliche, kluge und versteckte Details, dass kein anderer Richter sie zuvor bemerkt hatte.«
    »So ist es.«
    »Fakten, die hier nicht besprochen worden sind …«
    »Du stellst meine Geduld auf eine harte Probe!«
    »Sagt mir, Majestät, wie ist es dann möglich, dass ich dieseDetails ebenfalls kenne? Wie ist es möglich, dass ich weiß, dass Kan gezwungen wurde, ein falsches Geständnis zu schreiben, dass er betäubt wurde, seiner Kleider entledigt, und noch lebendig von zwei Personen gehenkt wurde, die seine schwere Truhe in die Zimmermitte schoben?«
    »Was soll das?«, zeterte Feng. »Er kennt die Details, weil er sie selbst ausgeführt hat.«
    »Ich werde Euch beweisen, dass das nicht stimmt!« Ci sah Feng fest an. »Ehrenwerter Herrscher«, wandte er sich dann an Nin Zong. »Hat Grauer Fuchs Euch von dem kuriosen Detail des Strickes erzählt? Hat er Euch erklärt, dass Kan, betäubt wie er war, nicht zappelte, als er aufgehängt wurde? Dass es die klare, präzise Spur ist, die die Schlinge im Staub auf dem Balken hinterließ, die darauf schließen lässt?«
    »So ist es. Aber ich sehe den Zusammenhang nicht.«
    »Erlaubt mir eine letzte Frage. Hängt der Strick noch an dem Balken?«
    Der Kaiser konsultierte den Grauen, der es bestätigte.
    »Dann könnt Ihr feststellen, dass Grauer Fuchs lügt. Die Spur, von der er sprach, existiert nicht. Ich habe sie versehentlich verwischt, als ich die Bewegung des Strickes simulierte, Grauer Fuchs kann sie also niemals entdeckt haben. Er wusste nur davon, weil Feng es ihm erzählt hat, nachdem ich mich ihm anvertraut hatte.«
    Nin Zong richtete einen vorwurfsvollen Blick auf die Anklagebank. Grauer Fuchs senkte den Kopf, doch Feng ging zum Gegenangriff über.
    »Ein guter Versuch, wenn auch vorhersehbar«, lächelte er. »Selbst das einfachste Gemüt kann sich denken, dass die Spur beim Abnehmen des Leichnams verwischt wurde. Beim Großen Buddha, Majestät, wie lange sollen wir uns die Torheiten dieses Betrügers noch anhören?«
    Der Kaiser strich sich durch seinen dünnen Bart, während er noch einmal das Schuldgeständnis las. Der Prozess geriet ins Stocken. Er befahl dem Kopisten, sich bereitzumachen, und erhob sich, um das Urteil zu verkünden, doch Ci kam ihm zuvor.
    »Ich bitte Euch um eine letzte Chance! Wenn Euch das nicht überzeugt, versichere ich,

Weitere Kostenlose Bücher