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Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Titel: Der Totenmeister: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Stone
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nie herausgefunden. Sie besaß eine ganze Reihe von Perücken, die zu einem glatten, schwarzen Bob frisiert waren, der so gut zu ihr passte, dass er aussah wie echt.
    Eva hatte einen Mann. Sie waren schon so lange zusammen, wie er denken konnte. Es war eine lockere Beziehung. Entweder er kam ein- bis zweimal pro Monat zu ihr, oder sie verschwand für ein längeres Wochenende. Carmine hatte ihn nie kennen gelernt, ihn nie gesehen oder seine Stimme gehört. Auch seinen Namen wusste er nicht. Eva nannte ihn einfach » mon type «, ihren Mann. Gelegentlich hatte er die beiden beim Sex gehört: laut, rau und wild, ein Duett aus ihren Schreien und seinem bullenartigen Schnauben und Keuchen, begleitet von den knarrenden Bodendielen.
    »Zieh dich aus und steig in die Wanne. Ich habe nicht viel Zeit«, fauchte sie. Sie sprachen Englisch miteinander, seit zwanzig Jahren, seit sie nach Miami gekommen waren. Carmine hatte sein Englisch von den schwarzen Kids in der Nachbarschaft gelernt, und von den kubanischen Jugendlichen Spanisch. Er wurde oft für einen Kubaner gehalten, was er nie richtigstellte, denn sich in Miami als Haitianer zu erkennen zu geben, war ungefähr so, als würde man sich den Schriftzug »Versager« auf die Stirn tätowieren.
    Er zog den Bademantel aus und hängte ihn an den Haken neben dem Handtuchregal. Er spürte, wie sich ihm die Haut zu einer Gänsehaut zusammenzog, obwohl es warm war im Badezimmer. Manchmal kam sie sofort damit heraus und sagte ihm, was sie störte, aber meistens zögerte sie es lieber hinaus, wartete ab, ließ es köcheln und gären und noch ein wenig wachsen und Kreise um ihn ziehen, bevor sie zum Punkt kam. Es war immer schlimmer, wenn sie es hinauszögerte, weil er ihren Zorn ohnehin spürte, weil er immer wusste, was ihn erwartete. Er konnte regelrecht sehen, wie sich die Wut in ihr aufstaute, wie sich jene dunklen und überaus tödlichen Legionen des Zorns sammelten, über die sie volle Kontrolle hatte, die sie auf Kommando loslassen und wieder zurückpfeifen konnte.
    »Warte«, sagte sie, als er gerade ins Wasser steigen wollte. »Dreh dich um.« Er tat wie befohlen. Er hatte sich noch nie geschämt, nackt vor ihr zu stehen. Seit sein Vater ermordet worden war, war kein Tag vergangen, an dem sie ihn nicht nackt gesehen hatte. »Was ist das?« Sie zeigte auf die kreisrunde Prellung mitten auf seinem Bauch.
    »Ich bin geschlagen worden«, sagte Carmine.
    »Von wem?«
    »Von einem Polizisten.«
    »Warum?«
    »Weiß ich nicht«, sagte Carmine. Er hatte ihr nicht von der Kellnerin erzählt. Die war für sein privates Kartenspiel vorgesehen, das er gerade aufbaute und von dem seine Mutter nichts wusste.
    »Hast du ihn provoziert?«
    »Natürlich nicht.«
    »Wo war das?«
    »In der Nähe von Coconut Grove.«
    »Warst du bei der Arbeit?«
    »Ja.«
    »Hat er dich bei der Arbeit gesehen?«
    »Nein. So war es nicht.«
    »Und wie heißt er? Wie ist sein Name?«
    »Den hat er mir nicht verraten.« Carmine grinste über die dumme Frage. Sie bedachte ihn mit einem bösartigen Blick aus ihren schwarzen Augen, die Wände durchdringen konnten.
    »War er in Uniform?«
    »Nein, in Zivil.«
    Sie kam dicht an ihn heran und legte ihm die Hand mitten auf die Prellung. Es tat weh, und er hielt den Atem an, als die Erinnerung an den Schmerz in seinem Körper widerhallte. Sam hatte ihm einen Eisbeutel gegeben, aber das hatte nicht viel genutzt.
    »Hat er dir die Samen abgenommen?«
    »Nein. Ich hab sie in die Küche gelegt.« Zu seinem Glück hatte Sam reichlich Calabarbohnen geordert. Hätte er seinen Auftrag nicht erfüllt und ihr keine Bohnen gebracht, hätte das den Monsterkoller aller Monsterkoller ausgelöst, weil es bedeutet hätte, dass die für morgen Abend angesetzte Zeremonie nicht hätte stattfinden können.
    Sie ging mit der Nase ganz dicht an die Prellung heran und atmete mit geblähten Nasenflügeln tief ein. Mit geschlossenen Augen hielt sie den Atem an, legte den Kopf in den Nacken und ließ ihn sanft von rechts nach links rollen, dabei bewegte sie den Mund, als kostete sie, was sie da eingeatmet hatte. Dann verzog sie das Gesicht, öffnete die Augen und atmete aus.
    »Der Mann ist ein Trinker«, sagte sie. »Er wird uns Schwierigkeiten bereiten. Große Schwierigkeiten.«
    »Wie?«, fragte er.
    »Das weiß ich noch nicht«, sagte sie. »Jetzt steig in die Wanne.«
    Seit dem Tag, an dem sein Vater ermordet worden war, hatte sie ihn jeden Abend um Punkt sechs Uhr gebadet. Er wusste, dass

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