Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
1979, einem Dienstag, galt als der brutalste in der Geschichte des Miami Police Department. Er hatte alle schockiert, von den abgehärtetsten Polizisten, die alles gesehen zu haben glaubten, bis zu den frischen Rekruten, die in der Polizeischule davon hörten und auf der Stelle den Dienst quittierten.
Victor Moyez, ein venezolanischer Drogenhändler, hatte soeben den größten Deal seiner fünfzehnj ährigen Karriere abgeschlossen, in deren Verlauf er zuerst Cannabis, dann Kokain aus seinem Heimatland nach Florida geschmuggelt hatte. Statt mit den Kubanern oder den Jamaikanern oder den Gangs aus Overtown oder Liberty City Geschäfte zu machen, war er losgegangen und hatte mit dem neuen Spieler auf dem Plan einen Deal geschlossen: einem Haitianer, der über reichlich Geld und ein beeindruckend gutes Vertriebsnetz verfügte, aber an den heranzukommen bekanntermaßen extrem schwer war. Über ein Jahr lang hatten Moyez und seine Leute Verhandlungen geführt, um überhaupt ein erstes Treffen zu organisieren, und ein weiteres Jahr, um die Vertragsbedingungen festzulegen. Für Moyez war es ein doppelter Erfolg. Erstens, weil er bei seinen bisherigen Geschäften die Lieferung der Drogen von Venezuela bis nach Miami selbst hatte sicherstellen müssen und regelmäßig ein gutes Drittel an den US-Zoll verloren hatte. Bei dem neuen Deal dagegen wurde sein Kokain zu einem Privatflugplatz in Haiti geflogen und dort entladen. Für den weiteren Transport nach Miami war der neue Geschäftspartner verantwortlich. Und zweitens hatte der Haitianer zugesagt, zwei neue Projekte voranzutreiben, an denen Moyez gerade arbeitete: Cocaína de mendigo , Bettler-Koks, eine äußerst billige Variante von Freebase-Kokain für die verarmten Massen statt für die Aktienbesitzer. Das zweite Projekt hieß Erythroxylum Moyez und war eine Kreuzung zwischen zwei seltenen Kokapflanzen mit einem 2- bis 2,5-prozentigen Gehalt an ätherlöslichen Alkaloiden, die die Grundlage des Kokains bildeten. Er hatte die Hoffnung, mit der Kreuzung – wenn sie gelang – eine Verdoppelung des Alkaloidgehalts erzielen zu können, was bedeuten würde, dass er entweder stärkeres Kokain oder mehr Kokain aus weniger Pflanzen würde herstellen können. Wenn eines oder sogar beide Projekte erfolgreich waren, würde das die Branche revolutionieren, und er – Moyez – wäre in der Pole-Position, um wieder einmal ein Vermögen zu machen, bevor die Nachahmer auf den Plan traten und sich ihren Platz erkämpften.
Das Einzige, was Moyez an dem Deal Kummer bereitete, war der Haitianer selbst. Er hatte ihn nie zu Gesicht bekommen. Besser gesagt, er hatte nie in Erfahrung gebracht, welche – und ob überhaupt eine – der drei Personen, die sich als Solomon Boukman ausgegeben hatten, der echte war. Ganz gewiss nicht der blonde Surfertyp, mit dem er in der Suite des Biltmore die ersten Gespräche geführt hatte. Und vermutlich auch nicht die schwarze Lady mittleren Alters, die er in Fort Lauderdale getroffen und die sich ebenfalls mit Boukman vorgestellt hatte. Und aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht der alte Mann, mit dem er das Geschäft an jenem Tag in einem Haus in Coral Gables zum Abschluss gebracht hatte und der nur Spanisch sprach. Er hatte gehört, dass der Haitianer seine Geschäfte immer so machte, niemals persönlich, nur durch Strohmänner – oder dass er sich manchmal auch persönlich mit einem traf, man aber niemals wissen konnte, dass er es war, weil man schon mit so vielen anderen gesprochen hatte. Die einfacheren Gemüter meinten, Boukman müsse der Teufel selbst sein, um das tun zu können, aber daran glaubte Moyez nicht eine Sekunde. Der Teufel hatte es nicht nötig, mit Leuten wie ihm Geschäfte zu machen. Dennoch hatte er die ganze Zeit über ein ungutes Gefühl gehabt, hatte sich zum ersten Mal in seinem Leben als geringerer Teil eines größeren Ganzen gefühlt, als habe nicht er sein Schicksal in der Hand, sondern als wäre er der Gnade übermächtiger Kräfte ausgeliefert. Was immer es mit diesem Typen auf sich hatte, die Situation hatte etwas Beängstigendes.
Doch all das war vergessen, nachdem der Deal abgeschlossen war, weil er nämlich mit ein paar Nutten, Champagner, einem halben Kilo Kokain und Musik in seiner Stretchlimo eine Party geschmissen hatte. Sie waren in den frühen Morgenstunden durch Miami gekurvt. Moyez hatte es angeödet, dass die Geschwindigkeit der Limousine mit der seines Herzschlags nicht mithielt, und hatte den Fahrer
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