Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
gescherzt, gelacht, geredet und sich auf die Schulter geklopft. Aber bis dahin war es ein weiter Weg, noch standen sie am Fuße des steilen und tückischen Berges. Auftragsmorde waren praktisch unmöglich aufzuklären, selbst wenn auf der Hand lag, wer dahintersteckte. Ein guter Auftragsmörder hinterließ keine Spuren, er nahm das Leben seines Opfers wie ein Geist. Doch dieser Fall war anders und von völlig neuer Qualität: Ein Selbstmordkiller.
Max und Joe hatten sich alle verfügbaren Kameraaufzeichnungen aus dem Gerichtssaal angesehen: den blonden Mann und die blonde Frau, die dem Mörder Platz gemacht hatten. Viel zu sehen gab es nicht, nur die paar Sekunden, als sie nach der Schießerei aufstanden und ihre Stühle verließen. Ihre Gesichter waren nicht zu erkennen, weil sie sich von der Kamera wegdrehten. Sie waren kaum voneinander zu unterscheiden, im Grunde nur am Schnitt ihrer beigefarbenen Anzüge. Sie waren gleich groß und hatten den gleichen Körperbau, sie trugen ähnliche Frisuren und sahen, laut den Angaben von sieben Augenzeugen, die sich an die beiden erinnerten und zusammen mit Polizeizeichnern Phantombilder erstellt hatten, auch fast gleich aus: hohe Wangenknochen, blaue Augen und spitzes Kinn mit Grübchen. Auf manchen Zeichnungen trugen sie beide Ohrringe.
Auch die Aufnahmen der Überwachungskameras im Gerichtsgebäude hatten sie sich angesehen. Es gab Kameras am Eingang und auf jedem Stockwerk. Das Paar war um 8.30 Uhr vor dem Gericht eingetroffen und hatte die Metalldetektoren passiert. Dann hatten sie nebeneinander auf einer Bank vor dem Gerichtssaal gewartet, vermutlich um ganz vorn in der Schlange zu stehen und sich ihre Plätze zu sichern.
»Wir sind ziemlich sicher, dass nicht die beiden die Waffe reingebracht haben. Mit einer.357 Smith&Wesson kommt man nicht durch den Metalldetektor. Wahrscheinlich war die Waffe schon vor dem Einlass unter den Sitz geklebt. Die beiden hatten die Aufgabe, den Platz zu besetzen, bis der Killer hereinkam«, sagte Joe.
»Insider. Dachte ich mir«, sagte Eldon. »Die ganze Stadt wimmelt von Würmern.«
»Wir verhören derzeit alle: Putzkräfte, Wachleute, Gerichtsmitarbeiter und sämtliche Journalisten und Zuschauer, die wir ermitteln konnten. Bis jetzt sind alle sauber, bis auf die beiden Blondies. Es sind zwei Presseausweise für einen Ryan Connor und eine Clare Johnson von der LA Times ausgestellt worden. Wir haben bei der Times nachgefragt, und wissen Sie, wer Ryan Connor und Clare Johnson sind? Der Horoskopeschreiber und die Kochexpertin. Er ist fünfundfünfzig und trägt Glatze, sie ist brünett. Und sie haben ein wasserdichtes Alibi: Sie saßen mit dreizehn Leuten in einer Redaktionskonferenz.
Es gibt einen Augenzeugen, der ausgesagt hat, die beiden Blondies seien in einen dunkelgrünen Cutlass Supreme eingestiegen, einen Zweitürer mit weißem Hardtop. Das Nummernschild hat er sich nicht gemerkt. Der Zeuge heißt Hector Manso und verkauft Eistüten direkt gegenüber vom Gerichtsgebäude. Er hat die beste Beschreibung geliefert, weil er ein paar Minuten, bevor die beiden Blonden rausgekommen sind, neben dem Wagen stehengeblieben ist, um einem Kind ein Eis zu verkaufen. Er meint, der Wagen sei Baujahr 74 oder 75 gewesen.«
Eldon nickte mit finsterer Miene, stand auf und trat an das Fenster zur Rechten. Sein Büro lag im obersten Stockwerk der MTF-Zentrale mit Blick auf das Gerichtsgebäude und die Straße. Dort blieb er eine Weile stehen, die Hände hinter dem Rücken zusammengelegt, kerzengerade, wenn auch etwas angestrengt, als müsse er gegen das Bedürfnis ankämpfen, unter der Last der Verantwortung zusammenzubrechen.
Dann setzte er sich wieder an seinen Schreibtisch. Er schaute von Joe zu Max und entschied sich dann für diese ganz eigene Art, keinen von beiden und beide zugleich anzusehen, indem er den Blick ganz leicht hin und her wandern ließ.
»Heute früh habe ich einen Anruf vom Morddezernat des NYPD bekommen. In die Kanzlei der Anwälte von Moyez wurde eingebrochen, und sämtliche Akten und alle auf Band aufgenommenen Aussagen, alles, was sie über Moyez hatten, wurde mitgenommen. Ein paar als Wachleute verkleidete Männer sind reinspaziert und haben die Akten eingepackt. Sie hatten Schlüssel und Passierkarten.«
»Wann war das?«, fragte Joe.
»In der Nacht nach der Schießerei. Ist erst drei Tage später aufgefallen.«
»Wie kommt das?«
»Anscheinend hat niemand dran gedacht, nachzuschauen«, sagte Eldon. »Aber es kommt
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