Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
er sich umdrehte, sah er den Hafen und die Marinas, Hotels, Strände, den Ozean und die Brücken, die wie versteinerte Ranken übers Wasser ragten.
Alles, was in der MTF wichtig war, geschah auf dem Dach, alle wichtigen Entscheidungen wurden hier getroffen. Hier kommunizierte Eldon direkt und ohne Umschweife mit seinem engsten Kreis, hier wurde nicht um den heißen Brei geredet, es wurde nicht auf die Wortwahl geachtet, nicht nach den Regeln gespielt, um den Schein zu wahren. Hier oben wurde kein Protokoll geführt, und jedes Wort wurde, sobald es gehört war, vom Wind davongetragen und verweht.
»Die Fäkalienfee war heute Morgen hier«, sagte Eldon.
»Verstehe.« Max zündete sich eine Zigarette an. Das erklärt deine Laune, dachte er.
Die Fäkalienfee war Victor Marko, aber seinen richtigen Namen benutzte man nur, wenn er dabei war. Er war das Mädchen für alles des Bürgermeisters, ein Künstler für die unangenehmen Aufgaben, die größtenteils von zweifelhafter Legalität waren. Seit zwölf Jahren arbeitete er für den Mann, der Miami regierte, egal welcher politischen Couleur der war. Er besaß kein Parteibuch und keine erkennbaren ideologischen Überzeugungen. Loyal war er nur jenen gegenüber, die die nicht unerheblichen Summen zu zahlen bereit waren, die er für seine Dienste verlangte. Seinen Spitznamen hatte er sich verdient, weil er entweder Scheiße aus der Welt schaffte oder Scheiße produzierte. Heute, vermutete Max, war Letzteres der Fall.
Max hatte ihn erst einmal gesehen: groß, glatzköpfig, humorlos und mit euterartigen Kinnbacken. Sein Gesicht und die Art, wie er seinen großen Kopf in einem leicht hochmütigen Winkel zum Rest des Körpers trug, ließen Max vermuten, dass er sich womöglich nach der Büste eines besonders grausamen römischen Kaisers modelliert hatte. Seine Haut war von der strahlenden Blässe jener, die den ganzen Tag bei voll aufgedrehter Klimaanlage im Haus verbringen, und sein Oberkörper wies eine Polsterung auf, die sich noch nicht ganz als Fett zu erkennen gab. Max vermutete, dass Sport für die Fäkalienfee ein Fremdwort war und seine Ernährung aus einer ausgewogenen Mischung von gesunden und ungesunden Lebensmitteln bestand.
»Es ging um dem Moyez-Fall«, sagte Eldon.
»Dachte ich mir.«
»Aber er war nicht im Auftrag des Bürgermeisters unterwegs. Diesmal nicht. O nein. Neuerdings fliegt unsere Fäkalienfee in höheren Gefilden.« Eldon legte eine dramatische Pause ein und sah Max mit schiefem Grinsen an. »Niemand geringerer als unser geliebter Präsident Reagan hat ihn geschickt.«
»Wem hat er ans Bein gepisst, um an den ranzukommen?« Max war fassungslos und plötzlich besorgt über die Dimensionen, die der Moyez-Fall annahm. Er hasste es, wenn es politisch wurde, weil es dann nicht mehr darum ging, ein Verbrechen aufzuklären und die Übeltäter zu bestrafen. Wenn es Wahlen zu gewinnen gab, wurden die Minderheiten gehätschelt und umgarnt, nur um sofort wieder ignoriert und übergangen zu werden, sobald sie ihnen zum Sieg verholfen hatten.
»In der Politik gibt es nur zwei Richtungen: hoch oder runter. Und mit unserer Fäkalienfee geht es dieser Tage aufwärts.«
»Und was will Reagan mit Moyez?«
»Hast du etwa seine Kampagne nicht verfolgt?«, fragte Eldon mit gespielter Entrüstung.
»Nein, ich hab ihn nur gewählt«, sagte Max.
»Bist eben ein guter Republikaner!« Lachend schlug Eldon ihm auf den Rücken, sodass er an dem Rauch, den er gerade inhaliert hatte, fast erstickte und einen Hustenanfall erlitt. Angewidert sah Eldon zu, wie Max den dicken Schleimbrocken, der ihm in der Kehle saß, zuerst hochholte und dann mit würgendem Geräusch ausspuckte.
»Reagan plant eine neue Offensive im Krieg gegen die Drogen. Er will unsere Kinder vor dem Zeug schützen – will den Kampf in die Familien tragen«, erklärte Eldon. »Wie du weißt, gibt es in Kolumbien zwei große Drogenkartelle, das in Cali und das in Medellín. Die CIA hat sich auf das Medellín-Kartell eingeschossen. Es ist größer, und sie liefern den Großteil des Kokains, das in Florida landet. Die Kartelle werden von den Ochoas, José Gacha, Pablo Escobar und Carlos Lehder geführt. Moyez hat für Lehder gearbeitet.«
»Aber ich dachte, Moyez war selbstständig. In der Akte steht, er habe seinen Stoff direkt von den Bolivianern bezogen. De Carvalho hat das bestätigt und wollte es vor Gericht auch so aussagen«, sagte Max verwundert, doch dann sah er den Ausdruck auf Eldons Gesicht
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