Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
»Es ist ein Junge, und Sie werden ihn nach Ihrem Vater benennen, weil der die Geburt nicht mehr miterleben wird. Er ist krank und wird bald sterben.« Das Paar hatte den Laden fluchtartig verlassen, sehr zu Sams Verdruss, weil den Touristen das Geld meist locker in der Tasche saß. Doch im letzten Jahr waren die beiden mit ihrem kleinen Sohn zurückgekommen und hatten sich nach Eva erkundigt, um sie zu fragen, woher sie das gewusst hatte.
Im Nebenberuf betätigte sich Sam auch als Geldwäscher, insbesondere für Solomon Boukman, aber auch für eine wachsende Zahl hochrangiger Offiziere der haitianischen Streitkräfte, die mit dem Kokainschmuggel ein Vermögen verdienten. Sie hatten im Norden Haitis private Flughäfen bauen lassen, auf denen die Flugzeuge der kolumbianischen Kartelle landeten, die bis oben hin voll waren mit Koks. Sie wurden aufgetankt und flogen dann weiter nach Miami. Und weil sie aus Haiti kamen, hegte der US-Zoll nicht den geringsten Verdacht: Haiti war kein Kokainproduzent. Aus der haitianischen Connection kamen alle Drogen, die Solomon verkaufte, sie war der Eckpfeiler seines gewaltigen Vermögens. Natürlich hatte er bei praktisch allem, was illegal war, seine Finger im Spiel, aber nichts warf so hohe Gewinne ab wie Drogen. Und all das hatte er Sam zu verdanken, der ihn in das ganz große Spiel eingeführt hatte, indem er ihm von den Flughäfen in der Heimat erzählt und mit den wichtigsten Spielern ein paar Treffen arrangiert hatte. Bis dahin war Solomon ein ganz kleiner Fisch gewesen.
Sam bot verschiedene Dienstleistungen an, vom schnörkellosen Transfer der Gelder über Offshore-Banken auf Bankkonten in der Schweiz, Monaco und Luxemburg bis zu – in Solomons Fall – Investitionen in Unternehmen und Grundeigentum. Beim Lemon-City-Projekt war Sam der Strohmann und in gewisser Weise auch der Kopf dahinter. Er hatte eine Art Vision gehabt. Eines Tages war er mit Carmine durch Coral Gables gefahren, sie waren auf dem Heimweg von den Glades gewesen, wo sie auf Alligatorenj agd gegangen waren. Carmine hatte erzählt, dass dort einmal Orangenhaine gestanden hatten, bis in den 1920er-Jahren ein gewisser George E. Merrick des Weges gekommen war und beschlossen hatte, an dieser Stelle eine Stadt zu bauen. Zwanzig Minuten später hatten sie in Little Havana im Stau gestanden. Auf der Bordsteinkante hatte er einen Schriftzug gesehen: »Parken nur für Kubaner. Alle anderen werden abgeschleppt«. Zuerst war er erschüttert gewesen über so viel Dreistigkeit, über die Einwanderer, die sich ihren Gastgebern gegenüber so etwas herausnahmen, aber dann war ihm klargeworden, dass sie sich das erlauben konnten, weil es ihr Territorium war – erbaut und verwaltet von den »Freiheitskämpfern«, jenen Kubanern, die vor Fidel geflohen waren. Und in diesem Moment hatte er die Vision eines ganz ähnlichen Viertels nur für Haitianer: Little Haiti.
Sam wusste, dass Lemon City blockweise verhökert wurde, und hatte Solomon vorgeschlagen, das gesamte Viertel als langfristige Investition aufzukaufen. Er hatte ihm sogar von der seltsamen Parallele zwischen Lemon City und Coral Gables erzählt, weil Lemon City seinen Namen nämlich den vielen Limonenbäumen verdankte, die es dort Anfang des 20. Jahrhunderts noch gegeben hatte. Gemeinsam würden sie eine moderne Version von Coral Gables schaffen. Es hatte einige Überzeugungskunst gebraucht, aber irgendwann war Solomon auf die Idee eingestiegen. Für ihn war das ganze Viertel eine einzige große Geldwaschanlage.
Nicht so für Sam. Obwohl er von Geburt Syrer war, betrachtete er sich selbst als Haitianer. Er sprach fließend Französisch und Kreolisch – außerdem Englisch, Spanisch, Arabisch und Tscherkessisch. Er mochte die Haitianer, und er wollte etwas für sie tun. Noch als Baby war er auf die Insel gekommen und hatte dort bis Anfang zwanzig gelebt, dann war er nach Miami gegangen, um dort an der Universität Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Das Land war gut gewesen zu ihm und seinen Eltern, Rafik und Zada, die mit ihren Supermärkten, Gebrauchtwarenläden und Kleiderfabriken ein ansehnliches Vermögen gemacht hatten.
Solomon hatte er vor neun Jahren kennen gelernt, kurz nachdem er seinen Laden eröffnet hatte. Solomon hatte Bonbon zu ihm geschickt, um Schutzgeld einzutreiben. Sam hatte ihn mit vorgehaltener Waffe bedroht. Bonbon war von dannen gewatschelt und hatte ihn gewarnt, er habe soeben einen großen Fehler begangen.
Sam hatte schon von Solomon
Weitere Kostenlose Bücher