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Der Totenschmuck

Titel: Der Totenschmuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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überzeugt davon,
dass er sie nicht angelogen hatte. Sie würde ihn ein zweites Mal fragen.
    Als Sweeney wenige Minuten später den Seminarraum betrat, erkundigte sie sich zuerst: »Wo sind Becca und Jaybee?«
    Niemand sagte etwas. »Nun, dann machen wir ohne sie weiter.« Sie trat hinter das Pult, nahm jedoch weder ihre Aufzeichnungen zur Hand noch schaltete sie den Diaprojektor an. Ihre Studenten tauschten nervöse Blicke.
    »Ich möchte gern etwas wissen: Sind Sie in der Nacht, in der Brad umkam, alle zusammen gewesen?«
    Es herrschte langes Schweigen.
    »Irgendwann wird es sowieso herauskommen«, sagte Sweeney. »Und es macht auf alle einen besseren Eindruck, wenn Sie von sich aus damit herausrücken.«
    »Okay, okay«, gab Jennifer schließlich zu. »Ja, das waren wir.«
    Langsam begannen sich die Puzzleteile zu einem Ganzen zu fügen. »Sind Sie in jener Nacht auf einem Friedhof gewesen?«
    Ashley wollte etwas sagen, besann sich aber anders, und schließlich ergriff Raj das Wort. »Ich werde … ich hätte Ihnen bei unserem Gespräch schon davon erzählen sollen. Es tut mir leid, dass ich gelogen habe. Ich wusste, dass wir alle verdächtigt werden würden, wenn Sie davon wüssten. Wir haben nichts damit zu tun. Es war nur …«
    »Warum haben Sie der Polizei nichts gesagt? Das ist doch nichts Verbotenes …« Sie blickte in die Runde. »Oder es war doch etwas Verbotenes an der Sache dran. Was haben Sie gemacht?« Raj überlegte, und sie fuhr fort: »Schauen Sie, ich bin erst achtundzwanzig. Es war also quasi erst gestern, dass ich das gemacht habe, was Sie mir jetzt nicht zu sagen wagen.«
    »Das habe ich den anderen ja auch gesagt«, beeilte sich Raj. »Ich habe vorgeschlagen, dass wir Sie einladen mitzukommen.«
    »Danke. Also, was ist passiert?«

    Er musterte seine Kommilitonen. »Gut. Wie ich Ihnen schon erzählt habe, sind wir auf Friedhöfe gegangen, um dort einfach abzuhängen. Wir haben uns ein paar Mal betrunken, und es war irgendwie cool, auf dem Friedhof herumzulaufen, irgendwie gruselig. Ashley hat dann gemeint, dass wir Pilze essen und dann hingehen sollten. Sie hat gesagt, das würde ein unglaubliches Erlebnis, wir könnten vielleicht Geister sehen und damit die Mauern zwischen den Lebenden und den Toten niederreißen.«
    »So war es auch«, ereiferte sich Ashley. »Auch wenn du diese Erfahrung verleugnen willst.«
    Raj rollte die Augen. »Ich wollte eigentlich gar nicht mitmachen. Ich habe das für keine gute Idee gehalten, aber dann …« Er unterbrach sich. »Wie auch immer. Wir haben beschlossen, den ganzen Tag - eben diesen Tag - auf dem Friedhof zu verbringen.«
    »Auf welchem?«
    »Mount Auburn. Wir wollten nicht extra fahren. Also hat Ashley die Pilze geholt, und ich habe jedem schon vorher ein paar gegeben, weil es eine Weile dauert, bis sie wirken. Wir sind dann auf den Friedhof, und eine Zeitlang fanden wir alles richtig cool. Wir sind herumgegangen und haben die Steine angesehen, und wir waren einfach glücklich, Sie wissen schon. Ich erinnere mich, dass alles heller und fröhlicher war, und ich hatte das Gefühl, dass die ganzen Toten auf dem Friedhof mich geliebt haben, dass sie mich alle irgendwie umarmt haben. Das klingt zwar dumm, aber … so war es. Wir haben uns ein Picknick mitgebracht - Käse, Weintrauben und Hühnchen, lauter leckere Sachen, und ich weiß noch, dass ich gedacht habe, noch nie etwas so Leckeres gegessen zu haben. Auch Brad, der immer etwas niedergeschlagen wirkte, war an dem Tag besser gelaunt.« Er verstummte und seine Miene verdüsterte sich.
    »Aber …?«, ermunterte Sweeney ihn. Jennifer und Ashley starrten auf die Tischplatte.

    Raj grinste Sweeney schief an. »Aber. Aber dann waren so viele andere Leute auf dem Friedhof. Touristen vielleicht, und es fing an, kalt zu werden, es war schon fast Abend und begann zu dämmern, oder es schien zumindest so. Jetzt kommt es mir so vor, als wäre das alles ganz langsam gegangen, aber es muss wohl eher schnell passiert sein. Die ganze Stimmung schlug um, und plötzlich bin ich ganz traurig geworden. Einfach … unglaublich traurig.« Sweeney konnte bei seiner Beschreibung beinahe spüren, wie sehr er dieses Gefühl genossen hatte, und sie wusste, dass sie eines Tages ein Buch von Rajiv Patel in die Hand nehmen würde, indem sie eine Passage finden würde, die dieses Gefühl umfassender Traurigkeit beschrieb.
    »Es war schrecklich«, sagte er. »Wir sind richtig durchgedreht. Ashley war überzeugt, dass die ganzen

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