Der Totenschmuck
waren sie Freunde gewesen, sind zusammen zur Schule gegangen und ich meine, Beccas Eltern kannten Brads Familie noch aus Newport. Jaybee und Becca haben ihn
anscheinend gefunden, als sie heute Morgen hierhergekommen sind. Sie haben bei Becca geschlafen und sind noch mal ins Apartment zurückgegangen, weil die Dusche in Beccas Wohnheim nicht funktioniert hat. Da haben sie ihn dann gefunden. Die Polizei hat ihnen erklärt, dass sie Stillschweigen darüber bewahren müssen, wie er ausgesehen hat, aber Becca hatte schon ein paar Leute angerufen, bevor die Polizei eintraf, und es sieht so aus, als wüsste inzwischen jeder Bescheid. Als sie reinkamen, trug er nur Unterwäsche, und seine Arme waren mit Krawatten am Bett festgebunden. Er hatte eine Plastiktüte über dem Kopf und trug diesen Schmuck. Den Teil kennst du ja.«
Sweeney fühlte sich auf einmal schuldig, weil sie Toby von ihrer Unterhaltung mit Quinn erzählte. Quinn hatte sie gebeten, nichts zu sagen, aber sie war so erschüttert gewesen, als sie das Präsidium verließ, dass sie Toby angerufen und alles brühwarm weitergetratscht hatte.
»Weißt du was? Sag am besten niemandem was von dem Schmuck. Eigentlich sollte ich …« Sie schloss die Augen, ihr Kopf dröhnte. »Toby, was glaubst du, was mit ihm passiert ist?«
»Ich habe keine Ahnung. Es sieht so aus, als ob es jemand gewesen ist, den er kannte, wenn er sich so festbinden ließ. Vielleicht hat er irgendwelche Leute getroffen, sie mit zu sich nach Hause genommen, und dort haben sie ihn dann umgebracht.«
»War er schwul? Ich glaube nicht. Das ist schon komisch, ich glaube es zwar nicht, aber ich kann mir auch nur schwer vorstellen, dass ihn eine Frau so gefesselt hat. Er war groß und kräftig.«
»Ich weiß es nicht.« Toby stocherte in den Klößen.
»Und ihm eine Plastiktüte über den Kopf zu stülpen? Warum haben sie nicht ein Messer oder einen Revolver genommen? Das kommt mir alles sehr seltsam vor.«
»Angeblich sind Jaybee und Becca schon in der Nacht nach
Hause gekommen und haben ihn stark betrunken angetroffen. Vielleicht ist dann später jemand vorbeigekommen, hat gemerkt, dass Brad ohnmächtig war, hat ihm die Tüte übergestülpt und das Apartment ausgeraubt.«
»Das erklärt aber nicht den Schmuck«, gab Sweeney zu bedenken und richtete sich auf. »Ich denke, die Polizei vermutet, dass er von einem Ritualmörder getötet wurde, der den Schmuck als seine Visitenkarte, oder wie immer du das nennen willst, benutzt hat. Sie wollten von mir wissen, welche Bedeutung diese Schmuckstücke haben. Als ich erzählt habe, dass Brad für mein Seminar an einem Projekt über Trauerschmuck gearbeitet hat, wirkten sie regelrecht enttäuscht.«
»Hattest du die Stücke schon mal gesehen?«
»Nein. Und ich habe auch keine Idee, woher er sie hat. Ich habe meinen Studenten geraten, in Museen und Antiquitätenläden nach Beispielen für Trauerschmuck zu suchen. Damit habe ich aber nicht gemeint, dass sie auch welchen kaufen sollten.« Sweeney ließ sich von Toby eine Schale mit Reis und Huhn reichen.
»Die arme Familie! Weißt du, dass sein jüngerer Bruder vor ein paar Jahren gestorben ist?«
»Was? Das wusste ich nicht.«
»Aber du weißt, wer Brad war?«
»Ja, ich meine, als ich seinen Nachnamen gehört habe, hatte ich schon so eine Vermutung, und dann hat mich ein Mitstudent gefragt, ob ich weiß, dass er ein Putnam ist, von den Putnams.«
Es gab einige wenige Familiengeschichten, die gleichbedeutend mit der Geschichte von Brahmin Boston waren, und die Putnamfamilie war eine davon. Einer ihrer Vorfahren war aus England gekommen, um in den Staaten sein Glück zu machen, und dieses Glück hatte sich ein, zwei Generationen später in einer Überseefrachtfirma manifestiert. Dann wurde es durch schlaue Immobiliendeals und klug geltend gemachten Einfluss vervielfältigt. Die Putnams hatten fast jedes
politische Amt des Commonwealth bekleidet und Brads Großvater John Putnam war ein einflussreicher US-Senator gewesen, als die moderaten Republikaner in Massachusetts noch gewählt wurden. In seiner Laufbahn war er einem weit berühmteren Bostoner Politiker begegnet, Senator Patrick »Paddy« Sheehan, dessen Familienname für die Stadtpolitik stand.
Sheehan entstammte einer irischen Einwandererfamilie, die in der Stadt prominent geworden war. Als seine jüngste Tochter Kitty sich in Andrew Putnam verliebt hatte, den jüngsten Sohn seines republikanischen Rivalen, hatte das die beiden Familien für immer
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