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Der Totenschmuck

Titel: Der Totenschmuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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Peter vergangenen Sommer bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Die Namen seiner Geschwister wurden ebenfalls aufgeführt.
    Ein paar älteren Berichten entnahm Sweeney Informationen über Brads Geschwister. Wenige Jahre vor dem Unfall war Drew Partner in der Anwaltskanzlei der Familie geworden. Camille hatte sich für eine Laufbahn im öffentlichen Dienst entschieden und war mit nur fünfundzwanzig Jahren in die State Assembly gewählt worden. Einer jüngeren Meldung zufolge kandidierte sie für den Kongress. Jack Putnam war, wie Sweeney einer Reihe von Artikeln über Kunst entnehmen konnte, Bildhauer.
    Sie schenkte sich noch einen Drink ein und setzte sich ans Fenster, das zum Davis Square zeigte. In ihrer Kindheit hatte sie jeden Sommer fünf bis sechs Wochen bei ihren Großeltern väterlicherseits in Newport verbracht. Sie wohnten in einem alten viktorianischen Haus direkt im Zentrum in der Narragansett Avenue. Nach hinten raus ging ein Garten, in dem Sweeneys Großmutter symmetrische englische Beete mit Stauden angelegt hatte, und aus den Fenstern der oberen Stockwerke konnte man das Wasser sehen.
    Wenn sie ihre Großeltern besuchte, hatte Sweeney immer in dem Zimmer gewohnt, das sie sich mit ihrer Tante Anna geteilt hatte. Es war übertrieben feminin eingerichtet gewesen, aber sie mochte es so, wie es war, mit der rosarot gemusterten Rosentapete, dem Bettüberwurf aus Chenille und dem
Himmelbett. In den Regalen standen Bücher über abenteuerlustige Mädels aus den Zwanzigern und Dreißigern, die Madge oder Nan hießen. Sie erinnerte sich noch daran, wie sie in Annas Bett lag, das stets nach Rosenblüten roch, und das Mondlicht durch die Fenster schien. Jedes Jahr hatte sie sich nach diesen Sommern gesehnt, hatte sich darauf gefreut, am ersten Morgen von den Geräuschen aufzuwachen, die aus dem Erdgeschoss drangen - leise, klassische Musik aus dem Radio und ihre Großeltern, die hin und her liefen. Nichts anderes in ihrem Leben hatte diese Zeitlosigkeit, diese Beständigkeit besessen. Nirgendwo sonst hatte sie sich so sicher gefühlt.
    Bis ihre Mutter sich mit ihren Großeltern zerstritten hatte, als Sweeney sechzehn gewesen war und von da an nicht mehr nach Newport gekommen war. Nachdem sie das College absolviert hatte, hatte sie den Kontakt zu ihren Großeltern wieder aufgenommen, hatte sie sogar für ein paar Tage im Sommer besucht. Aber Newport hatte für sie nie wieder den gleichen Zauber gehabt, war nie wieder so schön gewesen wie in ihrer Kindheit.
    Sie erinnerte sich an die schwere salzige Luft, das gleichmäßige Rauschen der See. Wie es wohl für sie gewesen war? Der plötzliche Aufprall, dann Stille, sie allein da draußen mit ihrem toten Bruder, und einer von ihnen - wer war es? - trug die Verantwortung für diesen Tod.
    Bevor sie zu Bett ging, machte Sweeney ein paar Skizzen von dem Schmuck. Ihr fotografisches Gedächtnis machte es ihr leicht, allerdings wusste sie nicht genau, was sie mit den Zeichnungen anstellen sollte. Als sie einnickte, dachte sie wieder an Newport, an die Nachtluft und den Jeep, der durch die Nacht in den Tod gesaust war.

Sechs
    Es war fast elf, als Quinn das Präsidium verließ. Er war müde, aber sein Kopf arbeitete angestrengt weiter, wirbelte die Eindrücke und Informationen durcheinander und ordnete sie wieder. Das war der Grund, weshalb die Cops so oft Probleme zu Hause hatten, dachte er. Am Ende des Tages konnte man nicht einfach so abschalten, nach Hause kommen und sich darüber unterhalten, dass der Ofen repariert werden musste oder dass die Frau ein neues Auto brauchte. Er schluckte seine Schuldgefühle hinunter. Er hatte Maura ganz vergessen. Die meiste Zeit des Tages war er mit dem Mordfall beschäftigt gewesen und hatte nicht mehr daran gedacht, was ihn zu Hause erwartete. Er holte tief Luft. Er brauchte eine Verschnaufpause. Der Arzt hatte gesagt, dass er sie gelegentlich auch einfach in Ruhe lassen sollte.
    Als er über den Davis Square fuhr, zögerte er kurz, wendete und parkte vor dem Easter 1916, einem der besten Irish Pubs der Gegend, ließ seine Uniformjacke im Auto und schloss ab. Im Pub war es warm, die üblichen Sonntagsgäste - Ehepaare aus der Nachbarschaft, Jugendliche mit ihren Dates, ein paar alte Männer, die missmutig in ihr Guinness schauten - drängten sich um die Bar. Aus dem Hinterzimmer hörte Quinn die Klänge einer Session, den fehlerfreien Tanz des Geigenbogens über die Saiten, das Jammern der Flöten, das Summen der flachen

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