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Der Totenschmuck

Titel: Der Totenschmuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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irischen Trommel. Er bestellte bei dem Mädchen hinter der Bar ein Guinness, bahnte sich einen Weg
durch die Menge nach hinten und grüßte die wenigen Gäste, die er kannte.
    Als Kind war er oft mitgekommen, wenn sein Vater Auftritte gehabt hatte - nicht in diesem Pub, aber in vielen anderen der Stadt. Er hatte sich auf einen Stuhl in der Ecke gesetzt und entspannt. Sein Vater hatte die Augen stets geschlossen, wenn er spielte, und die Trommel wie ein Baby im Arm gehalten, den Stock sternförmig oder in Achten über das Trommelfell führend. Quinn fiel wieder ein, dass es ihn manchmal irritiert hatte, wenn sein Vater sich dem Sog der Musik völlig hingegeben hatte. Es war, als hätte er ihn für die Zeit, während er spielte, verloren. Quinn war jedes Mal erleichtert gewesen, wenn sein Vater aufgestanden und nach draußen gestolpert war, um nach Hause zu gehen, noch immer berauscht von der Musik.
    Heute Abend spielten die Musiker nicht besonders ernsthaft, ein paar Geigen und Flöten, der Trommler hielt den Takt nur ungenau ein. Quinn hörte ihnen eine halbe Stunde zu, erhob sich schuldbewusst und trug sein leeres Glas zurück an die Bar.
    Das kleine Haus in der Holland Street war dunkel und still. An dem Tag, als sie es besichtigt hatten, hatte Maura gesagt, es erinnerte sie an ein Cottage aus einem Märchen. Es hatte ein oberes Stockwerk und die Haustür war so blau wie ein Rotkehlchenei. Die weißen Außenwände waren an einigen Stellen fleckig, und der Rasen musste gemäht werden, aber ihm gefiel es so, wie es war.
    Letzten Herbst hatten sie Knollen an dem schmalen Steinweg entlang gesetzt, als sie noch voller Hoffnung und Vorfreude auf das Baby gewesen waren. Im Schein der Straßenlaternen hatte er die ersten hellgrünen Stängel sprießen sehen, die endlich den langen Winter vertreiben wollten. Er hatte gar nicht mehr daran gedacht, und jetzt kamen sie ihm unbarmherzig vor, denn sie erinnerten ihn an ihre Unschuld, an ihr bisheriges Dasein und an all ihre Erwartungen.

    Er hielt vor der Haustür inne und horchte. Er drehte den Schlüssel im Schloss und betrat das Haus. Die erdrückende Atmosphäre des Inneren schien die frische kühle Luft von draußen zu verschlingen.
    In der schwachen Beleuchtung aus der Küche konnte er Maura auf dem Sofa schlafen sehen, der stumme Fernseher warf die hellen Bilder einer Late-Night-Talkshow in den Raum. Es roch muffig und abgestanden. Er musste Wäsche waschen, aber zurzeit hatte er einfach zu viel um die Ohren.
    Er ging die Treppe halb nach oben und lauschte. Alles war ruhig, bis auf Mauras Schwester Debbie, die im Gästezimmer neben der Treppe vernehmlich schnarchte. Wieder im Wohnzimmer, schlich er vorsichtig zum Sofa hinüber und betrachtete das schlafende Gesicht seiner Frau. Er wusste, dass er sie wecken und überreden sollte, nach oben zu gehen, aber sie sah so friedlich aus, dass er es nicht über sich brachte. Er schaltete den Fernseher aus und deckte sie mit der Afghanendecke zu, die auf der Sofalehne lag. Sie bewegte sich im Schlaf, und einen Augenblick lang wirkte sie beinahe glücklich. Er musterte sie und versuchte, sich die Person ins Gedächtnis zu rufen, die sie gewesen war. Es war ja nicht, dass er sich nicht erinnerte - ihre lachenden Gesichter auf dem Hochzeitsfoto auf dem Kaminsims zeigten einen grausamen Kontrast. Es war eine regelrechte Qual, daran zu denken, wie sie früher gewesen war.
    Als er an diesem Morgen ins Präsidium aufgebrochen war, hatte sie leise mit ihm geredet.
    »Manchmal komme ich mir vor, als wäre ich nur ein Werk deiner Fantasie. Alles, was du an mir gemocht hast, waren Dinge, die du in mich hineinprojiziert hast. Ich bin nichts als eine Hülle, die du mit deinen Erwartungen gefüllt hast.«
    Er wunderte sich, dass sie erst jetzt in dieser Krise die Art von Gesprächen hatten, die er immer mit ihr hatte führen wollen, Gespräche, von denen er annahm, dass Menschen wie Sweeney St. George sie ständig führten, tiefgehende, intellektuelle
Unterhaltungen, die sinnvoll waren. Jedes Mal, wenn er versucht hatte, mit ihr eine solche Unterhaltung zu beginnen, hatte sie ihn verwundert angesehen und gesagt: »Alles in Ordnung, Schatz? Wieso willst du denn über diesen schwierigen Kram reden?«
    Er sah die Post durch, vergewisserte sich, dass sie es warm hatte auf der Couch und ging nach oben ins Schlafzimmer. Vorher schaute er nach Megan. Sie schlief auf dem Rücken, wie der Arzt es angeordnet hatte, und hielt ihre kleinen Fäuste vor das

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