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Der Totenschmuck

Titel: Der Totenschmuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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wieder, obwohl sie in dem Gemälde impressionistisch wiedergegeben, die Trauerszene nur verschwommen und undeutlich zu sehen war. Sie konnte die Worte »Geliebter Sohn, Edmund« nicht lesen, aber die Form kam ihr bekannt vor, genau so wie es Brad beim Anblick dieses Porträts ergangen sein musste. Kannte er dieses Gemälde? Was hatte er vor seinem Tod herausgefunden?
    Sie machte sich ein paar Notizen über das Porträt und betrachtete zum Abschluss die beiden Grabsteine, die in der Abteilung für Amerikanische Bildhauerkunst des Museums
ausgestellt waren. Die Steine waren exzellente Beispiele für die amerikanischen Steinarbeiten des achtzehnten Jahrhunderts, und auf einer kleinen Tafel wurde erklärt, was das Stundenglas des einen Grabsteins symbolisierte. An den Wänden des benachbarten Ganges hingen wunderbare Fotoaufnahmen von den Steinen der Old Granary und der Könige.
    Im Museum wurden Renovierungsarbeiten vorgenommen, und der Gang mit den Fotos war auf der Hälfte, wo gebaut wurde, dunkel und verlassen. Überall schien Staub in der Luft zu hängen. Sweeney war allein im Erdgeschoss, um die Grabsteine zu betrachten, während sich in den Galerien im ersten Stock die Besucher drängten.
    Typisch, dachte Sweeney und musste niesen.

Einundzwanzig
    Melissa Putnam saß an ihrer Frisierkommode und verrieb Nachtcreme in ihrem Gesicht und auf ihrem Dekolletee. Drew saß im Bett und tat, als läse er den Globe , beobachtete sie jedoch im Kommodenspiegel. Als sich ihre Blicke trafen, schlug er ertappt die Augen nieder.
    Sie erhob sich, schlüpfte aus ihrem Morgenmantel, legte ihn ordentlich über die Stuhllehne und kam zum Bett hinüber. Sie merkte, dass er sie ansah und beobachtete, wie sich ihre Brüste unter dem Seidennachthemd hoben und senkten.
    »Hallo«, flüsterte sie und schmiegte sich in die Kissen.
    Er schwieg, knipste seine Nachttischlampe aus, drehte ihr den Rücken zu und klopfte umständlich sein Kopfkissen zurecht für die richtige Schlafposition. Sie löschte ebenfalls ihre Lampe, drehte sich um und berührte seine Schulter.
    »Was ist los? Was ist los, Drew?«
    Er murmelte: »Schlaf einfach, Melissa.«
    Nur mit größter Mühe konnte sie ihre Tränen zurückhalten und zählte bis zehn, bevor sie weiterredete.
    »Ich dachte …«, sie verstummte aus Angst, es auszusprechen, aus Angst vor seiner Reaktion, doch dann fuhr sie fort.
    »Ich dachte, wir können es wieder versuchen. Der Arzt hat gesagt, dass es geht. Jetzt ist es drei Monate her.«

    Er wollte etwas darauf erwidern, aber brachte nur ein Nuscheln heraus.
    »Drew?«
    »Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, Melissa.«
    »Ich verstehe nicht. Nach der letzten Fehlgeburt haben wir gesagt, dass wir es weiterversuchen wollen. Wir …«
    »Ich habe gerade meinen Bruder verloren. Ich will nicht … Schlaf jetzt, ja?«
    In der Dunkelheit konnte sie seinen schnellen Atem hören und seine Energie spüren.
    »Nein. Du hast es versprochen. Warum änderst du deine Meinung?« Sie spürte die Tränen in sich aufsteigen und ein glühendes Band, das ihr die Kehle zudrückte. »Aber es ist genauso … genauso wie vorher. Wir müssen!« Sie klammerte sich an ihn, aber er wollte Abstand.
    »Es ist nicht genauso wie vorher.« Seine Worte wurden fast ganz von der Bettdecke verschluckt. »Mein Bruder ist tot.«
    »Aber das hat doch …« Sie wollte sagen, dass es vorher doch auch nichts geändert hatte, als Petey gestorben war und sie wusste, dass er wusste, was sie sagen wollte.
    Blitzschnell sprang er aus dem Bett.
    »Wohin willst du?« Sie setzte sich auf, machte ihre Nachttischlampe an und sah zu, wie er sich die Hose und das Hemd wieder überzog, die er vor einer Viertelstunde an den Bettpfosten gehängt hatte.
    »Nirgendwohin. Schlaf, Melissa.«
    »Drew!« Sie spürte, wie sie die Kontrolle über sich verlor. »Geh nicht! Bleib hier! Ich frage auch nicht mehr, ich schwöre es!«
    Er bückte sich, um die Schuhe anzuziehen.
    »Geh nicht weg!«, schrie sie. »Wohin willst du? Zu wem willst du?«
    Aber er war schon verschwunden. Seine Schritte hallten im Treppenhaus.

    Schluchzend stand sie auf, ging ins Bad, setzte sich auf den Rand der Whirlpoolwanne und wiegte ihren Bauch, als könnte Fürsorge den Fehler im Innern beheben.
    Ihre letzte Fehlgeburt - die siebte - hatte sie im Januar gehabt. Kurz nach Weihnachten. Es war schon nach dem ersten Monat passiert, aber es hatte sich nicht so angefühlt wie bei den anderen Malen. Oder es war doch nicht anders

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