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Der Totenschmuck

Titel: Der Totenschmuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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und die Grabsteine. Es könnte eine interessante akademische Frage dahinterstecken. Wenn die Daten auf dem Schmuck stimmen und auf dem Stein nicht, dann wirft das eine interessante
Frage nach Grabsteinen als öffentliches Gesicht des Todes und Schmuck als privates Gesicht auf. Du weißt, das …«
    Toby rückte einen Stapel New Yorker auf seinem Couchtisch gerade. »Ich muss nicht mit dir reingehen?«
    »Nein, darum würde ich dich nie bitten. Du brauchst nur im Flur zu warten und mir Bescheid zu sagen, wenn jemand kommt.«
    »Soll ich wie ein Vogel pfeifen oder so was?«
    »Das kannst du dir selbst aussuchen.«
    Toby grinste. »Okay«, antwortete er. »Aber nur wegen der Vogelstimme. Das wollte ich immer schon mal machen. Einigen wir uns auf den Phoebetyrann? Oder auf die amerikanische Meise?« Er probierte beide aus, während Sweeney ungeduldig seinen Mantel holte.
     
    Brads Wohnung lag in einem viktorianischen Haus auf der Harvard Street, das früher einer Familie gehört hatte, aber irgendwann in den Siebzigern zu Studentenapartments umgebaut worden war, wie man den grellen avocadogrünen und sonnengelben Tapeten entnehmen konnte, die die Wände des schmuddeligen Treppenhauses zierten. Das Haus war ziemlich heruntergekommen, aber Sweeney selbst hatte vergeblich versucht, eine Wohnung zu finden, die näher am Campus lag und wusste, dass die Monatsmiete gut und gerne an die 1500 Dollar kostete.
    Brad und Jaybee wohnten in Nummer 5, in einer der beiden Wohnungen im zweiten Stock. Sweeney ließ Toby vor der Tür warten - die mit Polizeiband abgesperrt war, allerdings so, dass sie problemlos drunter durchkriechen konnte. Genau wie Jaybee gesagt hatte, stand neben der Tür ein großer Ficus in einem grünen Plastikeimer. Er sah so verwelkt und vertrocknet aus, als wäre er seit Wochen nicht mehr gegossen worden. Aber Sweeney entdeckte in der trockenen Erde einen Stein, unter dem der Schlüssel lag. Sie steckte ihn ins Schloss. Er ließ sich mühelos umdrehen. Mit der Hand auf
dem Türknauf legte sie den Schlüssel wieder in den Eimer und sagte zu Toby: »Gut, du wartest hier. Wenn jemand kommt, der die Treppe nimmt, pfeifst du einfach, und ich komme wieder raus. Wir tun dann so, als würden wir zu der anderen Wohnung gehen.«
    Toby nickte.
    Sweeney zog die Tür hinter sich zu und sah sich um. Die Wohnung erinnerte sie an die zahlreichen Studentenunterkünfte, in denen sie früher selbst gewohnt hatte. Ihr schlug eine vertraute Enge und Nachlässigkeit entgegen. Die Wände waren vergilbt und den hellbraunen Streifen nach zu urteilen seit langem nicht mehr gestrichen worden, und zwischen Wand und Decke waren Risse entstanden. Der Boden war mit Teppich in unattraktivem Grau bedeckt, darauf standen ein schwarzes Ledersofa und eine teure Stereoanlage. Das Apartment wirkte unbewohnt und steril. Sweeney nahm an, dass Jaybee seine Sachen komplett ausgeräumt hatte, sobald die Leiche abgeholt worden war. Sie fragte sich, wer sich um Brads Habseligkeiten kümmerte.
    Auf einem aufwändigen Gestell im Wohnzimmer stand ein leeres Aquarium mit einem Filter, einem Netz, einem Paar Gummihandschuhen und verschiedene Flaschen mit Chemikalien, die den Ph-Wert des Wassers regulierten, sowie weiteres Drum und Dran für den Wassertank, wie etwa eine künstliche Pflanze und ein knallbuntes Piratenschiff.
    Die schmale Küche wirkte, als würde sie nur selten benutzt - der Kühlschrank war leer bis auf eine ungeöffnete Flasche Champagner und einem Glas koscherer Dill Pickles. In den Schränken standen ein paar Teller und Becher, eine Handvoll rostfreies Stahlbesteck, das nicht zusammen passte, ein paar Tupperschalen und ungefähr zwanzig Pakete Fertig-Makkaroni mit Käse von Kraft.
    Das kleine Badezimmer wurde von zwei Türen eingerahmt, und Sweeney sah anhand des Absperrbandes, welche zu Brads Zimmer gehörte. Sie schob die Tür auf, zwängte
sich unter dem Band hindurch und machte die Tür hinter sich zu, für den Fall, dass jemand hereinkam.
    Ihr war ein bisschen mulmig gewesen, den Ort zu sehen, an dem Brad gestorben war. Aber das Schlafzimmer sah bei dem Sonnenlicht ganz harmlos aus, das durch das Fenster schien. Hier hatte Brad seine Kreativität ausgelebt, die Wände waren in frischem Hellblau gestrichen. Das Bett war aus Eiche mit vier halbhohen Pfosten - Sweeney schauderte bei dem Gedanken daran, dass seine schlanken Arme daran gefesselt gewesen waren - und jetzt mit einem blauen Laken bedeckt. Vermutlich hatte die Polizei das

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