Der Totenschmuck
klingelte, war es schier unmöglich, rechtzeitig dranzugehen.
Aber das war eine der Sachen, die er bei Kitty nie hatte ändern können. Sie war in einem bescheidenen Vorstadthaus in Brookline aufgewachsen, wo sie mit ihren fünf Brüdern getobt und wilde Spiele gespielt hatte und die Irish Setter das Mobiliar angenagt hatten. Sie hat sich nie gern um das Haus gekümmert, um die Ausstattung und Dekoration und um ihre Verbesserung, um alles, worauf seine Mutter so viel Wert gelegt hatte.
Als sie frisch verheiratet nach Newport gezogen waren, hatte sie sich im Haus seiner Eltern unwohl und fehl am Platz gefühlt und hatte so oft wie möglich in Spaziergängen entlang der Küste Zuflucht gesucht oder war schwimmen gegangen. Doch nach dem Tod seiner Eltern, als das Haus ihnen allein gehörte, hatte er bemerkt, wie sie sich allmählich eingelebt und es zu ihrem gemacht hatte. Die Sachen seiner Eltern waren nach und nach verschwunden, Vasen, Figuren und Seidenkissen
waren auf dem Boden verstaut und durch ihre Vogelbücher und Säcke mit Töpfererde ersetzt worden. Für die Möbel hatte sie beige Schonbezüge nähen lassen, auf denen die Hunde büschelweise ihre Haare hinterließen. Als sie sich getrennt hatten, hatte sie dort wohnen bleiben wollen, und er hatte nichts dagegen einzuwenden gehabt. Er hätte ohnehin nicht länger in Newport bleiben können. Zu viele Erinnerungen an Petey, zu viele Erinnerungen an die ganze gemeinsame Zeit.
»Hallo«, meldete sie sich schließlich.
»Hi.«
»Andrew«, sagte sie mehr zu sich selbst, als Warnung vor dem, was kommen würde.
»Wie geht es dir?«
»Ganz gut. Denke ich. Den Umständen entsprechend.« Er wusste nicht, ob ihre Stimme vor Langeweile oder Erschöpfung matt klang.
»Entschuldigung, dass ich anrufe … Ich wollte nur deine Stimme hören.«
»Nein, schon in Ordnung. Ich war gerade draußen mit den Hunden. Ich weiß auch nicht, was ich mit mir anfangen soll.«
»Ich weiß. Ich sehe mir gerade Drews Pläne an. Er wäre sicher glücklich, wenn er das wüsste.«
Sie lachte. Ein kurzes, bitteres Lachen. »Wie geht es dir denn?« Sie wussten beide, was sie meinte.
»Gut. Ich fröne einem lasterhaften Teeritual. Greta hat eine Riesenkiste davon gekauft, bevor sie weggefahren ist. Trotzdem glaube ich, ich muss aufstocken.«
»Hast du von der Polizei etwas gehört?«
»Nein, aber ich wünschte, sie würden Jack endlich in Ruhe lassen.«
»Ich weiß. Na ja, ich muss hier mal weitermachen.« Plötzlich klang sie, als würde sie gleich anfangen zu weinen. »Ich habe nicht geschlafen.«
»Kitty, kann ich … kann ich nicht herunterkommen?«
»Nein, nein. Das würde auch nicht helfen.«
»Natürlich nicht, aber wenn ich nur … bitte. Ich möchte nicht allein sein.«
Sie zögerte, dann sagte sie: »Nein, ich bin müde. Es tut mir leid.« Er hörte noch ein Geräusch, einen Schluchzer, dann legte sie auf.
Er lauschte einen Augenblick lang dem Freizeichen und blickte zur Uhr. Es war kurz vor neun, zu früh, um zu Bett zu gehen. Seine alte Rastlosigkeit hatte wieder von ihm Besitz ergriffen. Er brauchte einen Drink. Nicht so dringend wie zu der Zeit, als er gerade aufgehört hatte. Damals war das Bedürfnis eine Art Frage gewesen. Die Antwort hatte er erst gewusst, wenn er den Nachmittag oder den Abend überstanden hatte. Jetzt wusste er den Verlauf, die Form. Er wusste, wo sie begann und wo sie endete. Aus Erfahrung wusste er, dass er das Verlangen kontrollieren konnte. Er wusste, was er zu tun hatte.
Mit einem Anflug von Kopfschmerzen erhob er sich, nahm die Schlüssel aus dem Schlüsselkasten im Flur und trat in die Nacht hinaus.
Dreißig
Sweeney hörte am nächsten Morgen von dem Unfall, als sie aus der Dusche kam. In der Früh schaltete sie immer das Morgenmagazin ein, während sie sich fertigmachte.
Als sie ihr Haar trocken rubbelte, schallte die muntere Stimme des Nachrichtensprechers aus dem Wohnzimmer zu ihr herüber. »Die Universität und ihre Studenten trauern an diesem Morgen um die Studentin Alison Cope, die in der Nähe ihrer Wohnung in Cambridge in der vergangenen Nacht bei einem Unfall mit Fahrerflucht ums Leben kam. Für den Unfall, der sich zwischen ein und zwei Uhr nachts ereignet hat, gibt es keine Zeugen. Ein Taxifahrer entdeckte Copes Leiche und versuchte noch am Unfallort, sie wiederzubeleben. Die Polizei von Cambridge bittet jeden, der sich in der Nähe des Unfalls aufgehalten hat, sich über die freigeschaltete Hotline-Nummer zu melden.
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