Der Totenschmuck
Gang trat. »Mein Gott, Quinny! Jedes Mal, wenn ich dich suche, holst du dir einen Kaffee. Hast du mal darüber nachgedacht, deinen Koffein-Input zurückzuschrauben?«
Quinn wartete, bis der Automat das grauenvolle Zeug in den kleinen Styroporbecher gesprüht hatte. »Was ist los?«
»Ich will hinfahren und mit jedem reden, der in der Nachbarschaft wohnt. Mit jedem, der letzte Nacht auf gewesen ist, Verkäufern in den Supermärkten, Barkeepern, einfach mit jedem. Ich brauche die Namen der Taxifahrer, die in die Gegend gerufen worden sind. Können wir los?« Während er redete, nahm er bei jedem Mal Luftholen einen Schluck aus seiner Coladose.
Quinn schöpfte Atem. »Und was ist mit dem Putnam-Fall? Ich dachte, wir könnten noch mal mit der Familie sprechen. Es gibt nämlich noch ein paar Indizien im Zusammenhang mit dem Schmuck, die ich prüfen wollte.«
»Wir sollen uns jetzt aber hiermit befassen«, erklärte Marino. »Der Lieutenant hat Yolen und Anderson darauf angesetzt.« Er senkte den Blick. Yolen und Anderson waren Senior Detectives der Mordkommission, und Quinn wusste, dass Marino nicht zum ersten Mal rausgeflogen war, um ihnen in einem Fall eine Chance zu geben.
»Außerdem glaube ich, dass die Familie nichts mehr hergibt«,
fuhr er fort. »Wir gleichen alle Fakten noch mal mit unserer Datenbank ab. Vielleicht finden wir irgendwelche Übereinstimmungen.«
»Entzieht er uns denn den Putnam-Fall?«
»Ich habe keine Ahnung. Er hat gesagt, nur für heute.« Marino wirkte betreten.
»Marino, ich sage es dir. Das hier ist kein Ritualmord. Ich denke, Brad Putnams Mörder hat sein Opfer gekannt, ich denke …«
»Ja, aber was du denkst, spielt keine Rolle. Nur was du weißt, spielt eine Rolle. Und der Lieutenant will, dass wir uns um den Unfall mit Fahrerflucht kümmern.«
»Aber -«
»In fünf Minuten, Quinny«, entschied Marino im Hinausgehen. »Wir fahren mit zwei Autos, weil ich später noch etwas besorgen muss.«
Sie verbrachten den Vormittag damit, vor jedem Haus und jeder Wohnung mit Blick auf den Unfallort zu halten. In der Gegend wohnten fast nur Studenten und Rentner, woraus resultierte, dass die einen noch nicht zu Hause gewesen waren und die anderen noch geschlafen hatten, als der Unfall passiert war.
Sie stoppten auch bei den Supermärkten und Waschsalons der Gegend, aber der Unfall war erst bemerkt worden, als die Ambulanz eingetroffen und die Polizeisirenen zu hören gewesen waren.
Alison Copes Tod war offensichtlich von niemandem bemerkt worden.
Abgesehen von demjenigen, der sie überfahren hatte, dachte Quinn.
Marino war wieder ins Präsidium zurückgefahren und Quinn war unterwegs zum Mount-Auburn-Friedhof, als er an dem Wohnblock vorüberkam, in dem Brad gewohnt hatte. Sie hatten bereits die gesamten Bewohner befragt, aber einer war nicht zu Hause gewesen, und Quinn wollte es noch mal
versuchen. Marino hatte ihm das zwar nicht aufgetragen, aber es ging ja auch nur darum, ein paar kleine Lücken zu schließen.
Er parkte vor dem Haus und sah in seinem Notizblock nach. Die Wohnung, die er eingekreist hatte, lag im hinteren Teil des Gebäudes. Er ging ums Haus und klopfte an der Tür. Keine Antwort. Er klopfte erneut. Es blieb still.
Also ging er nach oben und klopfte an der Wohnungstür neben Brads und Jaybees Apartment. Er hatte den jungen Mann schon befragt, der dort wohnte. Er war Musiker, erinnerte sich Quinn, und er hatte in der Nacht, in der Brad Putnam starb, nichts gehört und gesehen. Er hatte für ein Konzert geübt, war früh zu Bett gegangen und hatte bis zum nächsten Morgen geschlafen.
Er schien äußerst viel zu üben. Durch die Tür hörte Quinn Klänge klassischer Musik. Nicht sehr stringent, eher wie jemand, der Akkorde übte. Quinn klopfte.
Die Musik verstummte. »Ja?«, fragte eine männliche Stimme.
»Die Polizei von Cambridge«, sagte Quinn. »Kann ich reinkommen und Ihnen ein paar Fragen stellen?«
Die Tür ging auf, und ein Mann erschien in blauem Bademantel mit einem Becher in der Hand, aus dem es nach Kaffee roch.
»Hallo. Ich bin Detective Tim Quinn, Polizei Cambridge. Ich denke, ich habe Sie bereits über die Nacht, in der Brad Putnam ermordet wurde, befragt.«
»Ja, ich erinnere mich an Sie. Kommen Sie rein.« Der Akzent dieses Mannes machte Quinn seinen eigenen Akzent deutlich bewusst; Boston, aber nicht das Viertel von Boston, in dem Quinn aufgewachsen war. Dieser Bursche klang wie ein Kennedy.
Quinn nickte und trat in die unaufgeräumte
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