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Der Totenwächter - Roman (German Edition)

Der Totenwächter - Roman (German Edition)

Titel: Der Totenwächter - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
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das Denken meines Volkes. Wir alle wissen, dass er die Allmacht ist und wir alle hofften, dass es niemals zu einer Konfrontation würde führen müssen. Mamothma, die Goldmaske, ist eine Art Gott. Er ist allmächtig! Dass er Sie beide verschonte, muss einen Grund haben.«
    »Ja, Kapitän«, schnappte Linda. »Er will, dass ich der Zeremonie beiwohne! Er will, dass ich heute noch einmal zur Grabkammer zurückkehre! Er wartet auf mich! Ich weiß nicht, warum. Aber er soll seinen Willen bekommen!«
    »Dann werden Sie sterben«, keuchte Akbar.
    »Was täten Sie, würde es sich um Ihre Tochter handeln?«, rief Linda.
    Brad legte sich seinen Fotoapparat um. »Er würde genauso handeln wie wir, Linda«, sagte er in beruhigendem Tonfall. Er blickte den Kapitän an. »Oder, Käpt’n?«
    Akbar nickte unmerklich. »Ja, ich würde es versuchen.«
    »Obwohl es Ihrer Meinung nach keine Chance gibt?« Linda schnaufte zornig.
    Akbar schwieg.
    »Haben Sie Waffen an Bord?« Brad trat zwischen Linda und Akbar.
    Der Kapitän stand auf. »In meiner Kabine werden Sie zwei Handfeuerwaffen finden. Die werden Ihnen aber nichts nützen. Geister sind gegen Kugeln gefeit.«
    Brad grinste hart und patschte den kleinen Mann auf die Schulter. »Sie sind ein echter Optimist, Käpt’n. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich in Ihre Kabine führen.«
    Akbar murmelte etwas auf Arabisch, von dem Linda nur das Wort »Allah« verstand. Er ging zur Tür. Dort blickte er sich um. Er straffte sich. »Kommen Sie bitte mit.«
    Er versuchte ,die Tür zu öffnen. Kreidebleich drehte er sich zu Linda und Brad hin. »Verschlossen«, stöhnte er. »Die Tür ist verschlossen. Wir sind hier drinnen gefangen. Man hindert uns daran, zu handeln. Offensichtlich legt Mamothma doch keinen allzu großen Wert darauf, dass Sie der Zeremonie beiwohnen.«
    Linda schnellte zu Brad herum. »Wer kann uns eingeschlossen haben? Hast du gehört, dass sich jemand an der Tür zu schaffen gemacht hat?«
    Brad schüttelte den Kopf. Sein Gesicht wirkte grimmig. »Seine Jünger. Irgendwer war wirklich sehr leise.«
    »Geister machen keine Geräusche«, wisperte Akbar. »Was sollen wir tun?« Er gab die Tür frei. »Diese Türen sind sehr sicher. Wir arbeiten mit Codekarten. Es ist mir ein völliges Rätsel, wie man die Tür von außen verriegeln konnte.«
    »Wenn wir Grace retten wollen, sollte uns schnell etwas einfallen.« Brad schob eine Hand in die Gesäßtasche seiner Jeans. Die Sonne versank hinter einer Moschee und schickte wunderbare rote Tönungen auf die Wasseroberfläche. Die Gegensätze von dunkelblauem Himmel, farbig leuchtenden Wolken und der Silhouette des Ufers waren traumhaft. Nun merkte man auch hier in Ägypten, dass das Jahr noch jung war. Die Sonne versank so früh wie im New Yorker Winter.
    Linda hatte keinen Blick dafür.
    Dies war für sie kein Urlaub mehr. Sie war mitten in ein grausiges Unglück gestolpert. Jede Minute zählte. Grace würde sterben, wenn sie nicht schnell etwas unternahmen. Und sie hatte keine Ahnung, was zu tun war, um ihre Tochter zu retten! Tränen rannen über ihre Wangen. Ein bitterer Schrei kauerte in ihrer Kehle und leidenschaftlicher Zorn auf diesen ganzen mythologischen Scheiß stieg in ihr auf. Und solange es noch Zorn gab, gab es auch eine Möglichkeit.
     
     
     

14
     
     
    Grace träumte.
    Sephrete! Sephrete! Sephrete!
    Was war geschehen? Sie war auf der Toilette gewesen, hatte sich die Hände gewaschen und war in die Bar zurückgekehrt.
    Vor ihr standen Mitreisende. Die meisten von ihnen in Badekleidung, einige von ihnen mit über die Schultern oder um die Hüften geschlungenen Badehandtüchern. Glückliche Gesichter starrten sie an.
    Mit einem Mal löste sich diese Körper und Gesichter auf, wurden zu Schemen und durchsichtig wie Nebelschwaden.
    Schwebte sie tatsächlich? Hatten sich ihre Füße von Boden gelöst?
    Es war ein Traum, musste ein Traum sein, ein angenehmer Traum wohlgemerkt. Einer, den sie nicht beenden würde. Einer, den sie genoss. Sie wirbelte in einem Rausch von Farben und immer wieder hörte sie ...
    Sephrete, Sephrete, Sephrete!
    Der Nebel trug sie weg, irgendwohin, wo es schön sein würde. Ja, Grace freute sich darauf, den Zielort bald sehen zu dürfen. Sie weinte vor Glück und breitet ihre Arme aus. Sie war wie ein Vogel, der das erste Mal in seinem Leben fliegen durfte. Sie war eine Feder im schwerelosen Nichts, trieb in einem Ozean unendlicher Wärme, vermisste nichts und war doch so glücklich wie

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