Der Toyota Weg
Erfahrung hatte, neu. Auf der 1. Stufe erklärte die Führungsriege die Vision, gab den Mitarbeitern Orientierung und führte verschiedene Simulationen durch, die durchaus anregend waren. Die Arbeitsmoral war hoch. Die Teammitglieder erhielten diverse Schulungen, um ein Bewusstsein für TPS zu entwickeln, konnten damit aber noch nichts anfangen. In dieser Phase musste die Führungsgruppe noch stark mit Anweisungen arbeiten. Als das Team das Arbeitsvolumen unter der Aufsicht des Managements langsam hochfuhr, gab es natürlich Probleme und Rückschläge. Das Team trat in Stufe 2 ein, und die Arbeitsmoral ließ ein wenig nach. Es brauchte viel moralische Unterstützung seitens der Gruppenleiter, und das Team war nach wie vor auf Führung angewiesen. Jedoch konnten sich die Gruppenleiter im Unterschied zu Blanchards Modell nicht allein auf die soziale Unterstützung beschränken und aufhören, Anweisungen zu geben, insbesondere weil sie noch damit beschäftigt waren, Verschwendung zu beseitigen und die einzelnen Arbeitsschritte stärker miteinander zu verknüpfen. Also wurde eine Kombination aus einem autoritär-direktiven Führungsstil und sozialer Unterstützung gebraucht, während die Mitarbeiter damit beschäftigt waren, nicht werthaltige Elemente zu beseitigen und neue Ideen zur Verbesserung des technischen Prozesses zu entwickeln.
Nach drei Jahren hatten die Gruppenleiter schließlich den Eindruck, die Mitarbeiter seien so weit gereift, dass einige von ihnen in bestimmten „Home Positions“ zu Teamleitern ernannt werden konnten und die Gruppe allmählich in die Selbststeuerung entlassen werden konnte. Das entsprach der 3. Stufe in Blanchards Prozess. Der Übergang zur 4. Stufe vollzieht sich noch über mehrere Jahre.
Meiner Ansicht nach besteht der Unterschied zwischen der Ein-Minuten-Version der situativen Führung und Toyotas Version darin, dass Erstereauf Meetings zu bestimmten Aktionspunkten abzielt, Letztere dagegen auf die tatsächliche Arbeit im Team in einem eng koordinierten komplexen Arbeitssystem. Die Mitarbeiter in dem koordinierten System führen operative Standardverfahren durch, und die verschiedenen Arbeitsschritte müssen genau synchronisiert werden, um das richtige Ergebnis zu erzielen. Diese Art der Teambildung geschieht nicht in einem Konferenzraum im Rahmen einiger gut vorbereiteter Meetings.
Arbeitsgruppen sind der zentrale Anlaufpunkt für die Lösung von Problemen
In einem konventionellen Automobilwerk sind höherrangige Angestellte beziehungsweise besondere Qualitätsexperten für die Problemlösung, das Qualitätsmanagement, die Anlagenwartung und die Produktivität verantwortlich. Im Gegensatz dazu sind im TPS die Arbeiter in der Fertigungshalle die zentrale Anlaufstelle für Problemlösung (siehe Abb. 16.2). Die Arbeiter, die die unmittelbar Wert schöpfende Arbeit verrichten, sind mit der Produktion und den Problemen, die diese behindern, am besten vertraut. Da Toyotas Existenzberechtigung in der Werterzielung für seine Kunden liegt und es die Arbeiter sind, die diesen Wert generieren, genießen sie den höchsten Stellenwert. Alle anderen Hierarchieebenen sind dazu da, sie zu unterstützen. Auf der nächsten Stufe steht der
Teamleiter
– ein Lohnarbeiter, der am Fließband gearbeitet hat, aber die Chance einer kleinen Beförderung erhält. Der Teamleiter kann keine disziplinarischen Maßnahmen verhängen, aber er muss das Team unterstützen. Der Vorgesetzte dieser ersten Hierarchieebenen ist der
Gruppenleiter
, der für die Führung und Koordination einer bestimmten Zahl an Gruppen verantwortlich ist.
Abbildung 16.2
Typische Toyota-Organisation
Nach den Standards vieler Unternehmen erscheint Toyotas Organisationsstruktur sehr ineffizient, denn es gibt zahlreiche Leiter für eine kleine Zahl an Mitarbeitern. Teamleiter unterstützen jeweils ein Team von fünf bis acht Mitarbeitern. Die meiste Zeit sind sie nicht direkt in der Produktion tätig. Gruppenleiter betreuen üblicherweise drei bis vier Gruppen. Dieses Konzept des Bottom-Up-Managements und des Empowerments der Mitarbeiter ist in vielen Unternehmen ein Lippenbekenntnis – Toyota nimmt es sehr ernst. Die schmale Spanne der Kontrollmöglichkeiten der Teamleiter ist eher eine reine Notwendigkeit. In mancher Hinsicht stellt das Bottom-Up-Management des TPS eine wesentlich größere Herausforderung für Teams dar, weil TPS ständig nicht werthaltige Elemente aus dem Wertstrom entfernt. Das heißt, dass
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