Der Toyota Weg
sich unzählige Male im Verlauf eines neuen Modellprogramms, und jedes Mal wurde die Zertifizierung des Zulieferers wieder herausgezögert. Bis sie zertifiziert waren, erhielten die Zulieferer aber kein Geld für die Werkzeugerstellung. Wie es in der Herstellung meist üblich ist, übernimmt der Auftraggeber die Kosten für die Werkzeugbeschaffung und -erstellung, die Gussblöcke und für Spezialwerkzeuge für die Komponentenherstellung. Diese Beträge können in die Millionen gehen. In einigen Fällen war bereits die Produktionsphase erreicht, und die Zulieferer hatten bereits seit Monaten Teile und Komponenten hergestellt, die durch die Qualitätsprüfung liefen. Solange sie jedoch ihre Qualitätszertifizierung nicht erhielten, wurden sie nicht bezahlt.
Damit sind wir wieder bei dem Konzept der „Druck ausübenden“ versus einer „befähigenden“ Bürokratie aus Kapitel 12. Sowohl American Auto als auch Toyota sind sehr bürokratisch in ihrem Umgang mit ihren Zulieferern. Damit meine ich, dass es zahlreiche Standards, Prüfverfahren, Regeln und Ähnliches gibt. Während die Zulieferer American Auto aber als einen Geschäftspartner erleben, der massiv Druck ausübt, wird Toyota, das ähnliche Qualitätsmethoden und Verfahren verwendet, als befähigend erlebt. Ein US-amerikanischer Zulieferer für die Fahrzeuginnenausstattung beschreibt die Zusammenarbeit mit Toyota folgendermaßen:
Bei der Problemlösung kommt Toyota nicht an und führt 15 Mal ausführliche Studien über die Leistungsfähigkeit der Prozesse durch wie American Auto. Sie sagen einfach: „Nehmen Sie hier und da etwas weniger Material,und dann funktioniert’s. Legen wir los.“ In 11 Jahren habe ich kein einziges Prototyp-Werkzeug für Toyota gefertigt. Kniepolster, Bodenbleche, Armaturenbretter etc. sind alle so ähnlich, da müssen Sie keine Prototypen bauen. Wenn ein Problem auftritt, wird es begutachtet, und dann wird eine Lösung gefunden – man konzentriert sich darauf, es das nächste Mal besser zu machen statt auf Schuldzuweisungen.
Im Gegensatz dazu gab ein anderer Zulieferer folgende hoch emotionale Beschreibung der Zusammenarbeit mit American Auto:
In dem Klima, das wir heute haben, verglichen mit der Vergangenheit, sind wir schon erfolgreich, wenn wir nicht nach Strich und Faden verprügelt werden. Wir können ein Programm oder eine Änderung durchführen oder unter den schwierigsten Umständen arbeiten (z.B. etwas versuchen, von dem wir dachten, es sei unmöglich) und zu 99,9 Prozent einwandfreie Ergebnisse erzielen. Aber wenn es nicht exakt 100 Prozent sind, werden wir einen Kopf kürzer gemacht. Früher wurde es anerkannt, dass wir uns krumm gelegt haben, um Änderungen, die in letzter Minute beschlossen wurden, hinzukriegen. Inzwischen sind wir froh, wenn wir nicht schon unter der Woche ständig attackiert werden. Das Ganze war mal ein System, das auf Anerkennung basierte, heute ist es nur noch eine Zwangsjacke.
Die Bedürfnispyramide der Zulieferkette aus Abbildung 17.1 suggeriert, dass es unmöglich ist, auf die höhere Stufe der befähigenden Systeme vorzudringen und als gemeinsame Unternehmung wahrhaft dazuzulernen, solange sich die Beziehungen nicht so weit stabilisiert haben, dass die Geschäftspartnerschaft fair ist und die Prozesse belastbar sind. Und die Pyramide zeigt, dass man die Stufen genauso schnell herunterfallen wie hinaufklettern kann. American Auto arbeitete sich von Anfang bis Mitte der 1990er Jahre stetig hinauf und fiel gegen Ende der 1990er Jahre bis ins 21. Jahrhundert plötzlich tief herunter. Toyota hat sich in derselben Zeit stetig von Stufe zu Stufe voran gearbeitet. Damit American Auto ein Vorbild für Zulieferbeziehungen wird, ist noch sehr viel mehr nötig als der Bau eines Zentrums zur Entwicklung der Zulieferer. Wenn es Toyota auch nur einigermaßen nahe kommen will, muss es zunächst seine interne Kultur umkrempeln, eine lernende Organisation werden und die Stellen disziplinieren, die den Zulieferern widersprüchliche Vorgaben machen.
Das 11. Prinzip des Toyota-Wegs lautet:
Respektieren Sie Ihr erweitertes Netzwerk an Partnern und Zulieferern, in dem Sie sie fordern und fördern.
Toyotas Rolle als Vorbild für Zulieferbeziehungen wird durch seinen Ansatz, mit seinen Partnern gemeinsam zu lernen und zu wachsen, immer weiter gefestigt. In meinen Augen hat Toyota etwas Einzigartiges erreicht: ein erweitertes lernendes Unternehmen.
Fallbeispiel: Trim Master, Inc. – Autositze in
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