Der Toyota Weg
Toyota-Experten besuchten das Werk sechs Monate lang mehrmals die Woche und danach einmal im Monat.
Eine typische Antwort auf das geschilderte Problem lautet vielleicht: „Der Computer ist eben ausgefallen, meine Güte. Reparieren Sie den Fehler, implementieren Sie ein echtes manuelles Backup-System, und fertig.“ Tatsächlich hatte TMI in der Vergangenheit auch schon Lieferprobleme gehabt, und Toyota betrachtete den Computerausfall nur als ein weiteres Symptom eines tiefer sitzenden Problems. Toyotas Lösung: eine Analyse jedes einzelnen Geschäftsaspekts, inklusive der Qualitätsplanung, der Mitarbeiterselektion und Mitarbeiterschulung, der Teamstrukturen, der Problemlösungsprozesse, der Pull-Systeme, der Standardisierung der Arbeitsabläufe und des Zuliefermanagements – also eigentlich eine grundlegende Runderneuerung des gesamten Geschäfts.
Das tat TMI dann auch, und inzwischen bewertete J. D. Power das Unternehmen regelmäßig als besten Zulieferer des Landes für Autositze und als vorbildlichen TPS-Zulieferer, der nur von seiner Muttergesellschaft in Japan übertroffen wird. TMI führt nun auch jeden Monat ein manuelles Backup durch, um gegen jedwede Computerausfälle gewappnet zu sein. In einer übergeordneten Betrachtung könnte man sagen, die Krise und die darauf folgende Bewertung als Zulieferer mit der Note zwei sind das Beste gewesen, was TMI je passieren konnte. Wo andere Automobilhersteller problematische Zulieferer nach dem Motto „Lösen Sie Ihre Probleme oder wir suchen uns einen anderen Zulieferer“ massiv unter Druck setzen, zieht Toyota es dagegen vor, seine Zulieferer auf ganzheitliche Weise „gesund zu pflegen“.
Die Entwicklung einer erweiterten lernenden Organisation bedeutet, andere zu befähigen
Während ich über das Zulieferdebakel von American Auto nachsann und mich fragte, warum das Unternehmen einen Aufzug an die Spitze schicken wollte, ohne in irgendeinem Stockwerk dazwischen Halt zumachen, begann ich, das Problem als Pyramide darzustellen. Ich dachte zurück an die Lehre der Sozialpsychologie aus College-Tagen, an die Maslowsche Bedürfnispyramide, die im letzten Kapitel kurz vorgestellt wurde und die auf der These beruht, der Mensch könne nur dann ein Bedürfnis einer höheren Stufe – wie z.B. die Selbstverwirklichung – erfüllen, wenn die grundlegenderen Bedürfnisse der unteren Pyramidenstufen abgedeckt sind. In Anlehnung daran entwickelte ich eine auf Zulieferer zugeschnittene Bedürfnispyramide (siehe Abb. 17.1).
Abbildung 17.1
Bedürfnishierarchie der Zulieferkette (in Anlehnung an die Maslowsche Bedürfnispyramide)
Die Botschaft der Zulieferer hatte gelautet, dass sie nicht an einer Hilfe zur Weiterentwicklung durch American Auto interessiert wären, solange nicht einige grundlegendere Probleme gelöst würden. Als Erstes wollten sie faire und ausgewogene kommerzielle Geschäftsbeziehungen. Eine Reihe der von American Auto verfolgten Praktiken waren einfach unfair. Zum Beispiel hatte American Auto Toyotas Target-Pricing-Methode übernommen und setzte Zulieferern Zielpreise, statt sich auf eine Preisunterbietung durch verschiedene konkurrierende Angebote zu verlassen. Allerdings setzte American Auto das Target Pricing nicht effektiv um, wie ein Zulieferer berichtete:
Wir sind in jedem Bereich (von American Auto), mit dem wir zu tun haben, durch die verschiedenen Zielkostenprozesse gegangen. Wenn Sie über den Zielkosten liegen, kann der Auftrag nicht erteilt werden. Wir haben eine Runde nach der nächsten gedreht und bis zur Markteinführung des betreffenden Fahrzeugs keinen offiziellen Auftrag erhalten.
Ein anderer Zulieferer beklagte sich darüber, wie inkonsequent American Auto bei der Definition der Zielkosten vorging:
Erreichen wir das Ziel zu früh im Entwicklungsprozess, ändern sie das Ziel. Also gibt es überhaupt keinen Anreiz, das Ziel möglichst früh zu erreichen. Es gibt keinen systematischen Zielsetzungsprozess. Jedes Mal läuft es anders. Die Vorgehensweisen unterscheiden sich sogar bei den verschiedenen Fahrzeugmodellen innerhalb derselben Plattform. Es hängt alles davon ab, wer jeweils das Sagen hat.
American Auto hat ebenfalls ein langwieriges, komplexes Zertifizierungsverfahren entwickelt, um sicherzustellen, dass die Qualität der Prozesse seiner Zulieferer stimmt. Zwar war diese Prozedur sehr mühselig, aber die Zulieferer akzeptierten sie. American Auto veränderte das Verfahren jedoch ständig. Tatsächlich änderte es
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