Der Toyota Weg

fixiert. Die Manager wenden sich wieder ihrem Geschäft zu und kommen 15 Minuten später noch einmal vorbei. Cho steht da und starrt. Die Manager fragen sich nun, ob er vielleicht krank oder zur Salzsäule erstarrt sei. Schließlich entspannt sich Cho, als ob er aus einer Trance erwacht sei, bemerkt, dass er nicht allein ist und sagt mit einem Lächeln: „Guten Morgen.“ Später kommen aus dem Büro des Presidents einige Anweisungen, bestimmte Elemente des TPS im Werk zu straffen. Was hat Cho eigentlich gemacht? Die einzige Art und Weise, wie er den Status der Umsetzung von TPS im Werk beurteilen konnte, war, sich selbst einen Eindruck zu verschaffen. „Werden die Standardarbeitsabläufe eingehalten?“ Sind die Abläufe fließend, gleichmäßig und Just-in-Time?“ „Werden Teile zur nächsten Arbeitsstation transportiert, bevor sie gebraucht werden?“ Cho muss den Materialfluss auf dem Fließband persönlich überprüfen, um diese Fragen beantworten zu können. Er muss sehen, ob die Fließbandarbeiter
andon
benutzen, um gegebenenfalls Hilfe zu rufen und das Band anzuhalten. „Und wie reagieren die Team- und Gruppenleiter?“ Indem er seine über Jahrzehnte gewonnenen Fähigkeiten anwendet, kann er all dies erkennen. Cho ist ein Meister darin, TPS zu sehen und zu verstehen. Er weiß, dass das, was er selbst sieht, nie in einem schriftlichen Bericht und in Zahlenkolonnen auftauchen würde, auch wenn er diese ebenfalls sehen will. Mit Tabellen und Zahlen lassen sich Ergebnisse messen, aber sie enthüllen nicht die Details der täglichen Arbeitsabläufe.
    Das Prinzip: Die eigenen Eindrücke umfassend verstehen und darüber berichten
    Wortwörtlich übersetzt bedeutet
genchi
der eigentliche Ort (des Geschehens) und
genbutsu
das eigentliche (verwendete) Material oder Produkt.
Genchi genbutsu
wird bei Toyota dahingehend interpretiert, dass man
sich an den Ort begibt, um die eigentliche Situation zu sehen und zu verstehen
.
Gemba
ist ein Begriff, der sich immer mehr durchzusetzen beginnt. Er verweist auf den „eigentlichen Platz (des Geschehens)“ und bedeutet ungefähr das gleiche wie
genchi genbutsu
. Der erste Schritt in jedem Problemlösungsprozess, jeder Produktentwicklung oder der Bewertung derLeistung eines Mitarbeiters ist, ein Verständnis für die jeweilige Situation zu entwickeln, die voraussetzt, dass man sich „an den
gemba
begibt“. Toyota fördert und erwartet kreatives Denken. Innovation ist ein Muss, aber sie sollte auf dem profunden Verständnis aller Aspekte der jeweiligen Situation basieren. Das ist eine der Vorgehensweisen, die jemanden, der im Toyota-Weg geschult wurde, wirklich von allen anderen unterscheidet. Toyota-Angehörige nehmen nichts als gegeben hin, und sie wissen, worüber sie reden, weil sie sich selbst ein Bild verschafft haben.
    Es wäre für das Management relativ einfach, zu versuchen, vom Toyota-Weg zu lernen, um anzuordnen, dass vom Tag X an jeder Ingenieur und jeder Manager eine halbe Stunde in der Werkshalle zu verbringen und die Abläufe zu beobachten hat, um alle Einzelheiten zu verstehen. Aber das würde nicht viel bringen, wenn sie nicht die Fähigkeiten zur Analyse hätten und in der Lage wären, die jeweilige Situation zu verstehen. Es gibt eine oberflächliche Version des
genchi genbutsu
und eine viel tiefer gehende, die von Mitarbeitern viele Jahre praktiziert werden muss, um sie zu beherrschen. Der Toyota-Weg verlangt, dass Mitarbeiter und Manager ein profundes Verständnis für fließende Prozesse, standardisierte Arbeitsabläufe etc. entwickeln und die Fähigkeit erwerben, eine Situation kritisch zu analysieren und zu bewerten. (Dazu kann auch Datenanalyse gehören.) Darüber hinaus müssen sie wissen, wie sie an die Wurzeln eines Problems gelangen, das sie erkannt haben, und dies effektiv an andere kommunizieren. Tadashi („George“) Yamashina, President des Toyota Technical Center, erklärte:
    Es geht um mehr als sich nur vor Ort zu begeben und zu beobachten. Was ist passiert? Was haben Sie gesehen? Welches sind die wichtigen Themen? Welche Probleme gibt es? In der Toyota-Organisation in den USA sind wir immer noch dabei, nur hinzugehen und zu beobachten. „Ok, ich habe mir ein Bild gemacht, und nun habe ich ein Gefühl für die Situation.“ Aber haben Sie die Situation wirklich analysiert? Verstehen Sie wirklich, worum es geht? Grundsätzlich geht es darum, dass wir versuchen, Entscheidungen auf Fakten zu gründen, und nicht auf Theorie. Zahlen und