Der Toyota Weg
solche Vorrichtungen entwickeln. Die Entwicklung setzt voraus, dass der Betreffende die Beschaffenheit dieser Vorrichtung und die kritischen Qualitätspunkte kennt und weiß, dass eine komplexe Vorrichtung bis ins letzte Detail neu entwickelt werden muss. Der junge US-amerikanische Ingenieur hatte keinen Schimmer, wie er überhaupt an die Sache herangehen sollte. Man hatte ihm auch keinen Leitfaden zurOrientierung ausgehändigt. Also mühte er sich ab, dachte intensiv nach und begann schließlich, Fragen zu stellen. Im Verlauf dieser Fragen musste er mit vielen anderen Ingenieuren aus unterschiedlichen Abteilungen – Karosserieentwicklung, Qualitätssicherung, Lieferanten – sprechen. Dabei lernte er eine Menge über Qualität und Design und kam mit Experten zusammen, auf deren Wissen er im weiteren Verlauf seiner Karriere immer wieder zurückgriff. Die Aufgabe, die man ihm übertragen hatte, zwang ihn dazu,
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im Learning-by-Doing-Verfahren zu lernen.
Mit visueller Kommunikation auf einem Blatt Papier eine Entscheidung herbeiführen
Bei diesem ganzen Hin und Her an Kommunikation zur Konsenserzielung könnte man meinen, bei Toyota dauere es eine Ewigkeit, bis irgendetwas voran ginge. Dennoch wissen wir, wie effizient und schnell Toyota ist. Es sollte daher keine Überraschung sein, dass Kommunikation dort geradezu als Wissenschaft betrieben wird. Die zeitaufwändigste und schwierigste Methode zum Verständnis komplexer Konzepte ist die Dechiffrierung langatmiger Berichte, die vor technischen Beschreibungen, Managementjargon und Tabellen nur so strotzen. Viel effizienter ist der visuelle Ansatz nach dem Motto „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ Auf Basis der Tatsache, dass Menschen auf Bilder stärker ansprechen, lernen neue Toyota-Mitarbeiter, mit möglichst wenigen Worten zu kommunizieren und dabei visuelle Verstärker einzusetzen. Der A3-Bericht, der in Kapitel 13 vorgestellt wurde und auf dem alle für eine komplexe Entscheidung notwendigen Informationen auf einem DIN-A3-Blatt untergebracht werden, ist ein Schlüsselelement der Konsenserzielung bei komplexen Entscheidungen.
Abbildung 19.2 ist ein Beispiel für einen A3-Bericht, der 1996 vom Toyota Technical Center entwickelt wurde. Es handelt sich dabei um den abschließenden Bericht über eine ausführliche Analyse zur Verwendung von Einkaufskarten für kleinere Einkäufe, mit denen langwierige und teure Genehmigungen vermieden werden sollen. Der A3-Bericht muss von oben links bis zur zweiten Säule gelesen werden. Eine Analyse der Ist-Situation zeigte, dass es bei 40 Prozent der Einkäufe im Technical Center um Beträge von weniger als $ 500,00 ging, die nur 4 Prozent der Ausgaben ausmachten. Für die Bearbeitung und Genehmigung dieser Bagatelleinkäufe musste aber die gleiche Zeit aufgewendet werden wie für Großeinkäufe. Daher der Vorschlag, Einkaufskarten zu verwenden. Der Bericht zeigt genau, wie viel Zeit und Geld dadurch eingespart werden können. Außerdem enthält er einen Vorschlag zur Piloteinführung der Einkaufskarte sowie Angaben zu der Person, die zu ihrer Ausstellung befugt ist,sowie welche Verwendungen gesperrt sein sollen. Der Plan beinhaltet eine Zeitschiene für die vollständige Umsetzung nach Abschluss der Piloteinführung.
Abbildung 19.2
Beispiel eines A3-Berichts
Der A3-Bericht entstand als Ergebnis einer Untersuchung, mit der ein funktionsübergreifendes Einkaufsteam und dessen Teamleiter beauftragt wurden. Sie hatten gelernt, dass dies die richtige Vorgehensweise nach dem Toyota-Weg war, in der
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obligatorisch war.
Wenn das Team die Aufgabe im Alleingang angegangen wäre und als Ergebnis einen langatmigen Bericht sowie ein so genanntes Executive Summary präsentiert hätte, wäre es auf Widerstand gestoßen und seine Konzepte wären womöglich gar nicht umgesetzt worden. Also involvierte die Gruppe alle, die von der abschließenden Entscheidung in irgendeiner Weise betroffen sein würden, und zwar nicht nur die Einkaufsabteilung, sondern auch die General Manager und Vice Presidents, die es gewohnt waren, über den bisherigen Genehmigungsprozess die Kontrolle über ihre Budgets zu haben. Nun sollten sie plötzlich diese Kontrolle aus der Hand geben und riskieren, dass ihre Budgets überzogen wurden. Die Mitarbeiter würden neue Verfahren für den Einkauf bestimmter Artikel lernen müssen und würden sich natürlich für eine größtmögliche Flexibilität und möglichst weit gefasste
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