Der Toyota Weg
dem Team, was die beiden Führungskräfte im Sinn hatten. Sie wollten dem Team nicht die direkte Weisung erteilen, einen Hybridmotor zu entwickeln. Vielmehr weckten sie den Ehrgeiz der Teammitglieder, indem sie für die Autoshow ein Hybridfahrzeug verlangten, das aber kein für die Massenproduktion taugliches Modell sein musste. Sie führten das Team dann zu der logischen Schlussfolgerung, dass ein Auto, das für das 21. Jahrhundert gebaut wurde, einen echten Durchbruch im Spritverbrauch erzielen musste und die Hybridtechnik somit die einzig praktikable Lösung war. Dennoch scheint dieser Ansatz gegen den Geist des 8. Prinzips zu verstoßen, das lautet:
Verwenden Sie nur zuverlässige, gründlich getestete Technologien, die den Menschen und Prozessen dienen
. Toyota prüft jede neue Technologie auf Herz und Nieren und übernimmt sie nur, wenn sie sich bewährt hat. Die Entwicklung eines Autos des 21. Jahrhunderts musste eine bahnbrechende Neuerung sein. Zu der Zeit war die Hybridtechnik bereits umfassend getestet. Allerdings hatte Toyota diese Technik noch nicht auf Verwendbarkeit in der Massenproduktion geprüft. Als Uchiyamada die Herausforderung annahm, machte ihm das Topmanagement ein weit reichendes Zugeständnis: Er konnte sich die besten Ingenieure des Unternehmens aussuchen, um an der Hybridtechnik zu arbeiten.
Phase III: Die Beschleunigung des Entwicklungsprojekts
Von November 1994, dem Zeitpunkt, da Uchiyamada die Herausforderung annahm, ein Konzeptauto mit Hybridantrieb zu entwickeln, bis zur Autoshow im Oktober 1995, blieb weniger als ein Jahr Zeit, um wenigstens einen funktionsfähigen Hybridmotor und das Fahrzeug selbst zu bauen. Angesichts des immensen Zeitdrucks war die Versuchung groß, eine sehr schnelle Entscheidung über die Hybridtechnologie zu treffen und sich sofort an die Umsetzung zu machen. Stattdessen prüfte das Projektteam alle Optionen mit großer Akribie (und in Befolgung des 13. Prinzips). Dabei verfolgte es die Set-Based-Methode, indem es 80 Hybridtypen untersuchte und systematisch die Motoren aussortierte, die den Anforderungen nicht genügten. Schließlich kamen zehn Motoren in die engere Wahl. Das Team evaluierte sorgfältig die Vorteile jedes einzelnen Motorentyps und wählte die besten vier aus. Jeder der vier Hybridmotoren wurde in Computersimulationen noch einmal sorgfältig getestet. AufBasis dieser Ergebnisse wagte es schließlich, im Mai 1995 – nur sechs Monate später – eine Alternative vorzustellen.
Bis zu diesem Zeitpunkt lag der Fokus auf der Konzeptentwicklung und der Forschung über alternative Technologien. Nun stand die Richtung für das Programm und die zu verwendende Technologie fest, um das erste Hybridfahrzeug in Massenproduktion zu fertigen. Toyotas Board verabschiedete dafür ein Budget, legte die nötigen Personalressourcen fest sowie eine grobe Zeitschiene. Im Juni 1995 wurde der Prius zu einem offiziellen Entwicklungsprojekt gekürt. Nachdem dieses Projekt eine völlig neue Produkttechnologie und ein neues Fertigungssystem beinhaltete, wurde ein Dreijahresplan aufgestellt. Im ersten Jahr sollte die Entwicklung eines kompletten Prototyps im Mittelpunkt stehen. Im zweiten Jahr sollte die Erarbeitung der Details durch gründliche Untersuchungen im Vordergrund stehen, und das dritte Jahr sollte sich auf die abschließende Produktversion und die Produktionsvorbereitungen konzentrieren. Auf Basis der besten Analysen wurde ein flexibles Zeitziel für die Aufnahme der Produktion gesetzt, die Ende 1998 beginnen sollte, wobei für Notfälle ein Puffer bis Anfang 1999 eingebaut wurde. Das Team war sehr stolz auf diesen aggressiven Zeitplan.
Ein neuer President mit einer neuen Mission – der Prius als Vorreiter
Im August 1995 gab es ein bedeutendes Ereignis. Toyota ernannte einen neuen President – Hiroshi Okuda –, den ersten President in der Unternehmensgeschichte, der nicht zur Toyoda-Familie gehörte. Von außen betrachtet galt er als eine für die Toyota-Kultur ungewöhnliche Wahl. Okuda trug in seinem Vorgehen inklusive der Globalisierung mehr Aggressivität nach außen. Zudem kam er aus der Wirtschaft und war kein technisch- oder fertigungsgeprägter Ingenieur. Er schien offen auf Dinge zuzugehen und sie beim Namen zu nennen, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die in ihren Äußerungen stets sehr vorsichtig und indirekt gewesen waren. Ein solcher Umschwung musste einen Grund haben. Es war deutlich, dass neue Herausforderungen bewältigt werden
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