Der Toyota Weg
Aufgabe einzigartig qualifiziert. Erstens war dieses Projekt das erste in Jahrzehnten, das eine wahrhaft bahnbrechende Technologie beinhaltete und würde eine wesentlich intensivere Forschung erfordern, als normale Entwicklungsprojekte. Uchiyamada kam aus der Forschung. Zwar war er kein Design-Experte, aber er liebte Autos und hatte profunde technische Kenntnisse. Sein Vater war Chefingenieur des Crown – Toyotas Flaggschiff – gewesen; Uchiyamada hatte praktisch Benzin in den Adern. Und zweitens war das Projekt nicht einem Fahrzeugzentrum zugeordnet. Somit war ein Projektleiter erforderlich, der die neue Organisation in- und auswendig kannte, um die Ressourcen richtig zuzuweisen. Uchiyamada erfüllte diese Voraussetzung, da er einer der verantwortlichen Architekten der neuen, erst kurz zuvor installiertenOrganisationsstruktur gewesen war. Drittens war der zentrale Zweck dieses Projekts die Entwicklung eines neuen Ansatzes der Fahrzeugentwicklung. Jemand, der unter dem alten System groß geworden war, hätte sich in dem neuen System möglicherweise nicht so gut zurechtgefunden. Es musste also jemand sein, der erwiesenermaßen über die Fähigkeit verfügte, Organisationsstrukturen zu entwerfen und mit unverstelltem Blick an die Dinge herangehen konnte.
Niemand war von der Entscheidung überraschter als Uchiyamada selbst, wie er mir erklärte:
Wenn es ein Problem mit einem Zulieferer gibt, ist es die Verantwortung des Chefingenieurs, den Zulieferer aufzusuchen, dem Problem auf den Grund zu gehen und es zu lösen. Oft wusste ich nicht einmal, wonach ich überhaupt suchen sollte, um herauszufinden, was zu tun war ... Ein wesentliches Merkmal eines Chefingenieurs ist, dass er alles weiß. Selbst bei der Entwicklung der verschiedenen Fahrzeugteile weiß er genau, wohin jedes Detail gehört und was Kunden erwarten.
Was konnte Uchiyamada also tun, da er nicht „alles wusste“? Er bildete ein interdisziplinäres Expertenteam zur Unterstützung. Eines der wichtigsten Ergebnisse des Prius-Projekts aus der Perspektive der Organisationsstruktur, war die Schaffung des
obeya
-Systems der Fahrzeugentwicklung, die heute Standard bei Toyota ist.
Obeya
bedeutet „großer Raum“. Das ist eine Art Projektschaltzentrale. Unter dem alten Entwicklungssystem war der Chefingenieur immer unterwegs, um sich je nach Bedarf mit verschiedenen Leuten zusammenzusetzen und das Programm zu koordinieren. Für den Prius versammelte Uchiyamada eine Gruppe von Experten im „großen Raum“, um den Fortschritt des Programms zu begutachten und wichtige Entscheidungen zu diskutieren. Das Projektteam fand einen Raum abseits des Getümmels des normalen Tagesgeschäfts, von dem es hieß, er sei der Versammlungsort einer merkwürdigen, hoch geheimen Truppe (G21-Projekt), die vom Topmanagement unterstützt werde. Im Verlauf des Entwicklungsprozesses dokumentierte Uchiyamada in Echtzeit die Erfahrung des Designs eines neuen wegweisenden Designprozesses von Null an. Daraus wurde ein streng vertrauliches 200 Seiten starkes Papier, das nur mit Autorisierung von höchster Stelle eingesehen werden durfte. Die Unternehmensführung erreichte ihr Ziel, den Designprozess neu auszurichten, indem sie diese Aufgabe jemandem anvertraute, der kein Design-Experte war.
Das Auto des 21. Jahrhunderts: umweltfreundlich und Ressourcen schonend
Uchiyamada erwies sich als kreativer Leiter, der sich aber dennoch auf die Erreichung extrem sportlicher Zeitziele konzentrierte. Der detailliertere Konzeptentwurf wurde tatsächlich in lediglich sechs Monaten fertiggestellt. Normalerweise wäre der erste Schritt in dieser Phase die Entwicklung eines Prototyps gewesen. Aber Uchiyamada war sich sicher, dass sich das Team den Rest der Zeit in Details über die Verbesserung des Prototyps verlieren würde, wenn es schnell einen Prototyp hinstellte. Stattdessen wollte er mehrere Alternativen gründlich beleuchten, bevor man sich festlegte. Meine Partner und ich haben dieses Vorgehen als „Set-Based Concurrent Engineering“ (SBCE – weiter ausgeführt in Kapitel 19) bezeichnet, weil hier eine Reihe Alternativen gleichberechtigt geprüft werden, statt sich sehr früh auf eine Lösung zu fixieren. 2 Während der Entwicklung des Prius gab es zahlreiche Beispiele für dieses Vorgehen.
Anfänglich verstrickte sich das Projektteam in technischen Detaildiskussionen der Antriebstechnik. Uchiyamada fand das problematisch. Er trommelte das Team zusammen und sagte: „Lasst uns damit
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