Der Toyota Weg
mussten – Toyota musste seine Globalisierung vorantreiben und sich auf das 21. Jahrhundert vorbereiten.
Zwar würde man von einem nichttechnisch geprägten neuen Unternehmensführer, der dem Unternehmen seinen Stempel aufdrücken möchte, erwarten, dass er die Richtung und die Prioritäten des Unternehmens von Grund auf umkrempelt, aber Okuda behielt die Richtung bei. Er verfolgte sie nur mit einem höheren Tempo und mehr Aggression. Er hätte das G21-Projekt als Lieblingsspielzeug seines Vorgängers abtun können.Stattdessen trieb er es mit noch mehr Energie voran. Als er Wada fragte, wann das Hybridfahrzeug fertig sei, erklärte dieser, man rechne mit Dezember 1998, „wenn alles gut geht“. Okuda sagte daraufhin: „Das ist viel zu spät, das geht nicht. Können Sie das früher hinkriegen? Es wird sehr wichtig sein, das Auto frühzeitig auf den Markt zu bringen. Dieses Auto kann die Zukunft von Toyota verändern und vielleicht sogar die Zukunft der Automobilindustrie“ (Itazaki, 1999).
Wada und sein Team standen enorm unter Druck, empfanden angesichts Okudas Überzeugung von der Bedeutung des Projekts gleichzeitig aber auch neuen Enthusiasmus. Das Zeitziel wurde auf Dezember 1997 verkürzt.
Schließlich wurde der Prototyp des Prius auf Toyotas Autoshow im Oktober 1995 der Öffentlichkeit vorgestellt und entpuppte sich als Hit. Das Team war voller Energie. Es sollte diese Energie auch brauchen, um bis zur neuen Projektfrist, die weniger als zwei Jahre betrug, ein massenproduktionstaugliches Hybridfahrzeug zu entwickeln. Da standen sie nun mit ihrer Verantwortung für ein lauthals angekündigtes bahnbrechendes Fahrzeug – ohne Tonmodell und ohne Fahrzeugdesign. Darüber hinaus mussten sie auch noch alle großen (und zumeist neuen) Fahrzeugsysteme entwickeln. Der Zeitdruck war immens, aber die Projektleiter ließen sich nicht dazu verleiten, Abstriche zu machen. Uchiyamada lehnte sogar einen Kompromiss über einen weniger riskanten Ansatz ab. Es gab zum Beispiel den Vorschlag, er solle einen hybridgetriebenen Camry als erstes Hybridfahrzeug nehmen, weil dieses Modell größer war und mehr Platz für ein komplexeres Antriebssystem plus elektrischen Motor bot. Der andere Vorteil bestand darin, dass der Unterschied im Benzinverbrauch zwischen dem existierenden Modell und dem Hybridfahrzeug dramatisch sein würde. Uchiyamada lehnte den Vorschlag mit folgender Begründung ab:
Wir versuchen, ein Auto für das 21. Jahrhundert zu bauen, und unsere Arbeit besteht nicht darin, das Hybridsystem in ein existierendes Modell zu integrieren. Wenn wir die traditionelle Methode verfolgen, das System zuerst in ein großes Auto einzubauen, enden wir darin, zu viele Zugeständnisse an Kosten und Größe zu machen. Das passiert nicht, wenn wir uns von Anfang an auf ein kleines Auto konzentrieren.
Der Clay-Model Freeze – noch 15 Monate
In den folgenden Monaten arbeitete Uchiyamada eng mit den Künstlern der Branche – den Designschmieden – zusammen, um den Prius zu entwerfen. Im Juli 1996 hatte Uchiyamada endlich ein fertiges Autodesign.Wenn dieser Punkt im Designentwicklungsprozess erreicht ist, bezeichnet man das als „Clay-Model Freeze“ – eine Fixierung des Tonmodells –, auch wenn Führungskräfte in der Automobilindustrie dafür berüchtigt sind, auch nach dem so genannten Freeze fundamentale Änderungen am Basisdesign vorzunehmen. Nicht so Toyota. Toyota hat die feste Tradition, an einem einmal verabschiedeten Design nicht mehr zu rütteln. Das Unternehmen zeigt einen ungewöhnlichen Grad an „Sorgfalt in seiner Entscheidungsfindung“ (
nemawashi
), um an diesem Punkt eine gute Entscheidung zu treffen.
Uchiyamada, der noch nie zuvor ein solches Entwicklungsprogramm geleitet hatte, blieben nur noch 17 Monate, bis der Prius in Produktion gehen sollte. Die eigentliche Prüfung des Designs und seine formale Genehmigung durch den Board fanden im September statt, so dass schließlich nur noch 15 Monate übrig blieben. Neben der Entwicklung der Technologie musste auch ein neuer Fertigungsprozess entwickelt und vorbereitet werden, es musste ein neuer Vertriebsplan für den Prius entwickelt werden und eine neue Serviceorganisation zur Wartung und Inspektion des neuen Modells. 1996 betrug die Standardzeit für die Entwicklung eines neuen Fahrzeugmodells in der Automobilindustrie, insbesondere in den USA, fünf bis sechs Jahre. Bereits 1982 waren die Japaner in der Lage, diese Zeit auf 48 Monate zu verkürzen.
Weitere Kostenlose Bücher