Der Toyota Weg
Sie ein besonderes Produkt bzw. eines für eine ausschließliche Verwendung kaufen, müssen Sie zunächst darüber nachdenken, was Sie genau brauchen, die Kosten und Nutzen abwägen und dann den Kauf planen. Sie planen gewissermaßen einen Kauftermin, denn Sie brauchen dieses Produkt nicht sofort.
Dienstleistungen sind eine weitere Art von Einkäufen, die nicht sofort erfolgen, sondern geplant werden. Vor kurzem mussten wir z.B. unseren Klärtank reinigen. Es gab keine Möglichkeit festzustellen, wie voll er war und ob er geleert werden musste. Also folgten wir den allgemeinen empfohlenen Zeitabständen (die wahrscheinlich nicht korrekt waren) für die Reinigung eines Klärtanks – ein Push-System. Inzwischen gibt es ein Gerät, das anzeigt, wie voll der Tank ist. Wenn ein bestimmter Level erreicht ist, wird ein Signal ausgelöst, wann der Tank gereinigt werden muss. Wenn wir dieses Gerät kaufen, können wir auf einen Zeitplan verzichten und dieses durch ein von der aktuellen Nachfrage bestimmtes Auffüllsystem (in diesem Fall ein System zur Leerung) auf Basis der tatsächlichen Nutzung statt der ungefähr vermuteten Nutzung ersetzen.
Weil das Pull-System mit der aktuellen Nutzung bzw. dem Verbrauch zusammenhängt, arbeitet Toyota konstant an der idealen Version der Just-in-Time-Nachschublieferung. Durch die Anwendung von
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überwacht und koordiniert Toyota den Verbrauch und Nachschub von Tausenden von Teilen und Werkzeugen, orchestriert spezifische Auffüllpläne, entwickelt Regeln für das Auslösen von Auffüllsignalen, kalkuliert die maximal tolerierbare Lagermenge etc. Das
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/Pull-System funktioniert in den meisten Geschäftssituationen besser als ein Zeitplansystem. Aber es hängt immer noch von kleinen Lagerbeständen als Puffer oder Teilelagern ab, wobei Lager letztlich immer ein Kompromiss sind. Das Ziel ist also, wo immer möglich, die Eliminierung der Teilelager und die Realisierung eines echten One-Piece-Flow.
Toyotas
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-System – Nachfragesog, wo es nicht anders geht
Ein echtes One-Piece-Flow-System kommt völlig ohne Lagerhaltung aus, denn es erzeugt Produkte genau dann, wenn sie vom Kunden nachgefragt werden. Das System, das diesem Erfordernis am nächsten kommt, ist die von Toyota entwickelte One-Piece-Flow-Zelle, die ein Produkt exakt zu der Zeit fertigt, da es gebraucht wird. Wenn ein hundertprozentiger Fluss nicht möglich ist, weil die Prozesse zu weit auseinander liegen oder die Durchlaufzeiten der Fertigung zu stark variieren, ist die nächstbeste Wahl Toyotas
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-System.
Rother und Shook (1999) schrieben in ihrem viel gelesenen Buch über TPS,
Learning to See
: „Sorgen Sie für fließende Prozesse, wo immer das möglich ist. Lösen Sie einen Nachfragesog aus, wo es nicht anders geht.“ Wenn Sie schlanke Systeme entwerfen wollen, wiederholen Sie diesen Satz jeden Tag schon in der Frühe beim Aufstehen. Mit diesem einfachen Prinzip werden Sie weit kommen. Wo es nicht möglich ist, einen One-Piece-Flow zu erzielen, ist der nächstbeste Weg die Entwicklung eines Pull-Systems mit minimalen Lagerbeständen.
Nehmen wir ein Pull-System in einem Montagewerk von Toyota. Es gehen Bestellungen von Autohändlern ein. Die Produktionskontrolle errechnet einen nivellierten Produktionsplan. Zum Beispiel wird erst ein weißer Camry gefertigt, anschließend ein grüner Camry, dann ein roter Avalon und so weiter. Zu jedem dieser Fahrzeuge gibt es eine Reihe Optionen. Der Produktionsplan wird an die Fertigung gesendet, wo die Stahlbleche (aus „Supermärkten“ mit vorgepressten Blechen) zu einer Karosserie zusammengeschweißt werden. Das Pressen der Bleche dauert wesentlich kürzer als die Taktzeit in Montagewerken (eine Sekunde pro gepresstem Blech versus einem 60-Sekunden-Takt ist z.B. werksüblich), also ist die Verarbeitung in einem One-Piece-Flow nicht sinnvoll. Es wäre von 60 Sekunden eine Sekunde produktiv. Hier empfiehlt sich ein Pull-System. An einem bestimmten Punkt, wenn eine bestimmte Zahl an Stahlblechen verarbeitet wurde, geht ein
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an die Stahlpresse und gibt das Signal zum Pressen einer weiteren Ladung Stahlbleche, mit denen das Zwischenlager aufgefüllt wird.
Dem vergleichbar nehmen die Montagearbeiter, wenn sie Teile aus Behältern entnehmen (Scharniere, Türgriffe, Scheibenwischer) eine
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-Karte heraus und werfen sie in einen Briefkasten. Ein Roboter zur Materialbestückung leert diesen Briefkasten regelmäßig, fährt zurück zum Lager und füllt
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