Der Toyota Weg
Trim Masters wiederum bestellt die für die Sitzherstellung benötigten Teile Just-in-Time bei einem seiner Zulieferer und hält selbst nur einen minimalen Lagerbestand vor, wobei der Lagerumschlag 128 Umschläge pro Monat beträgt. Die Fahrzeugmodelle Avalon und Camry haben unterschiedliche Sitze, für die unterschiedliche Teile benötigt werden. Folglich muss Trim Masters darauf vertrauen, dass sich Toyota in der Fertigung exakt an den vorbestimmten Mix an Avalons und Camrys hält. Im Falle einer plötzlichen Abweichung vom Produktionsplan, der mehr Avalon-Sitze erfordert als geplant, gehen Trim Masters die Teile aus und dadurch entstehen ungeplante Mehrkosten für Eillieferungen plötzlich fehlender Teile. Das geschieht bei US-Automobilherstellern mit schöner Regelmäßigkeit, was vielen Lastwagenfahrern und Hubschrauberpiloten wegen der hohen Frachtkosten ein angenehmes Dasein beschert. Auch bei Toyota kommt das gelegentlich vor, aber insgesamt gelingt es doch, für eine gleichmäßige Produktion zu sorgen und den Produktionsplan einzuhalten.
Die meisten Zulieferer sind nicht wie Trim Masters aufgestellt und müssen Kunden zufrieden stellen, deren Nachfrage erheblich schwankt. In diesem Fall empfehlen TPS-Experten oft, einen gewissen Lagerbestand an fertigen Endprodukten vorzuhalten. Das scheint zwar im Widerspruch mit der schlanken Philosophie zu stehen, denn theoretisch bedeutet die schlankeste Lösung, nur das herzustellen und zu liefern, was zuvor bestellt wurde. (Wenn Sie schon ein Lager unterhalten müssen, warum dann ausgerechnet das teuerste von allen, nämlich fertige Endprodukte? Stellen Sie lieber die Produkte laut Bestellung her und lagern Sie nur Rohmaterialien.) Diese Argumentation lässt allerdings die Bedeutung von
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außer Acht. Ein überschaubarer Lagerbestand an fertigen Endprodukten ist oft notwendig, um die nivellierte Produktion eines Zulieferers vor plötzlichen Nachfrageschwankungen zu schützen. Das mag verschwenderisch erscheinen, aber indem man die Verschwendung der Lagerhaltung einer geringen Menge fertiger Endprodukte in Kauf nimmt,kann man bei einer gleichmäßigen Produktionsauslastung sehr viel mehr Verschwendung im gesamten Produktionsprozess sowie der Zulieferkette vermeiden.
Das ist der Grund dafür, dass Unternehmen, die TPS erfolgreich umgesetzt haben, ihre Produktion oft aus einer Kombination aus Auftragsfertigung und der Vorhaltung eines vorab festgelegten Lagerbestands an fertigen Endprodukten planen. Das Fallbeispiel am Ende dieses Kapitels zeigt ein Unternehmen, das in großen Mengen saisonale Produkte herstellt, die es in einem Lager vorhält, und andere Produkte nur nach Bestellung produziert. Diese Kombination erlaubt dem Unternehmen eine gleichmäßige Produktion über das ganze Jahr hinweg, sie sorgt für einen reibungslosen Fluss und ermöglicht in den meisten Fällen eine Auftragsfertigung.
Build-to-Order und dennoch
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Chos Zitat zu Beginn dieses Kapitels suggeriert, dass Kunden eventuell etwas warten müssen, wenn sie ein Fahrzeug bestellen, das speziell nach ihren Wünschen ausgestattet ist. Cho ist nicht bereit, die Qualitäts- und Effizienzvorteile von
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zugunsten einer reinen Auftragsfertigung zu vernachlässigen. Dennoch haben andere Automobilhersteller Build-to-Order-Systeme entwickelt, die ihnen potenzielle Wettbewerbsvorteile verschaffen. Eine der konventionellen Build-to-Order-Lösungen besteht darin, große Wagenparks bei den Händlern aufzubauen und die Fahrzeuge je nach Kundenbestellungen unter den Händlern auszutauschen.
Ist Toyota nun damit zufrieden, Kunden zu bitten, sich in Geduld zu üben, während diese genau das Fahrzeug, das sie haben wollen, bei einem Wettbewerber bekommen können? Als Antwort auf diese Herausforderung hat Toyota eine Lösung entwickelt, die dem Unternehmen einerseits erlaubt, die Produktion zu nivellieren und gleichzeitig direkt auf Bestellung zu produzieren. Toyota gibt sich grundsätzlich nie mit entweder/oder zufrieden. Alan Cabito, Group Vice President von Toyota Motor Sales erklärt:
Das Toyota-System ist kein Build-to-Order-System, sondern ein „Change-to-Order“-System. Der große Unterschied besteht darin, dass ständig Fahrzeuge über die Montagebänder rollen, an denen wir Spezifikationen ändern. Das haben wir immer so gemacht. Aber wir sind gerade dabei, diese Methode weiterzuentwickeln. Wir nehmen ein Fahrzeug vom Montageband – egal welches Modell – und verändern es.
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