Der träumende Diamant 1 - Feuermagie
Ruhe lassen solle. Ihn gehen lassen solle.« Sie blinzelte, allem Anschein nach so friedfertig wie ein schläfriges Kind. »Dass er den Diamanten nicht haben wolle. Dass er nicht den Wunsch habe, mir etwas anzutun.«
Kit erstarrte. »Er hat dir gedroht?«
»Nicht mehr als jemand anderes, den ich kenne.« Sie sah ihn ruhig, aber eindringlich an. »Ich schätze, wir sind beide
so etwas wie Verbündete. Ich bin mir sicher, dass er höchst erstaunt war, als ich ihn angesprochen habe.«
»Wer ist er?«
»Er hat es mir nicht gesagt, Lord Langford. Ohne Zweifel hätte er es vorgehabt, nachdem er mir seinen Wohnort genannt und den Schlüssel zu seiner Tür gegeben hätte, aber dann bist du dazugekommen. Er schien nicht länger bleiben zu wollen.«
»Nein«, sagte Kit und fühlte, wie sich seine Lippen zusammenzogen.
Sie setzte sich im Sessel auf und warf ihr Haar zurück. »Aber ich habe etwas Interessantes erfahren.«
»Was?«
»Seine rechte Hand war aus Holz.«
Holz. Etwas in seinem Kopf klingelte. Der Mann, der ertrunken war und dessen Hand und Ring gefunden worden waren. Großer Gott, jemand, der verrückt genug war, seine eigene Hand abzuschlagen - hatte George je gesagt, um wen es sich dabei gehandelt hatte? Er konnte sich nicht richtig daran erinnern …
»Es war seine Bogenhand«, fuhr Rue fort und starrte hinunter auf den Stoff, der sich zwischen ihren Beinen spannte. »Wirklich raffiniert. Er hat die Finger so nachbilden lassen, dass sie den Bogen halten können, weshalb er wie jeder andere spielen kann. Mir ist es erst aufgefallen, als er mich berührte.«
»Du wirst dich von ihm fernhalten«, sagte Kit mehr als besorgt. »Du wirst nicht einmal mehr in seine Nähe kommen.«
Sie sah zu ihm auf und zog die Augenbrauen hoch. »Das dürfte kein Problem sein. Ich habe keine Idee, wo ich ihn jetzt finden soll. Besonders, wo er nun weiß, dass du ihn verfolgst.«
»Hör mir zu, Rue. Ich werde nicht zulassen, dass du dich mir in dieser Hinsicht widersetzt. Du wirst dich von ihm fernhalten, egal, was passiert.«
»Gut«, brach es aus ihr heraus, und sie stand auf. Der Vorhang rutschte ihr an einer Seite von der Schulter, und sie hielt ihn mit beiden Händen fest.
»Du gewinnst, du bist der Alpha, allmächtiger Christoff! Ich verbeuge mich vor deiner unendlichen Weisheit! Bitte, lieber Lord, gewähre mir die Erlaubnis, nach unten zu gehen, um mir etwas zu essen zu holen. Mein Magen schmerzt bereits.« Sie zog den Vorhang noch höher und marschierte aus dem Schlafzimmer. Eine Welle aus Damast rauschte hinter ihr durch die Tür.
Er dachte daran, ihr hinterherzugehen, denn er hatte gar nicht so barsch sein wollen. Er wollte liebevoll mit ihr umgehen, sie auffangen und schützen und ihren Körper und ihr mutiges Herz anbeten. Aber ohne ihre Gegenwart, die ihm Stärke gab, lag Christoff quer vor dem Bett, seine Hände umklammerten die Weste und zerdrückten den Seidenstoff. Das Summen in seinem Kopf war wie ein aufgescheuchter Bienenstock.
Sie war so verdammt eigensinnig. Fast ihr ganzes Leben lang hatte sie sich, ohne groß darüber nachzudenken, in Gefahr begeben, immer wieder, mit aller Entschlossenheit. Sie war diesem Wolfsjungen zu Hilfe gekommen, hatte ihm ihre Geheimnisse offenbart und nicht ein einziges Mal an die Konsequenzen gedacht …
Kit wurde klar, dass da jenseits seiner Angst um sie, jenseits seines Zorns eine neue, wirbelnde Erschöpfung lag. Er ließ sich auf den Teppich sinken, denn er schaffte es nicht einmal mehr auf die Matratze. Seinen Kopf lehnte er zurück gegen das Fußende des Bettes und starrte hinauf zur Decke, wo er wieder ihr Gesicht sah, ihre geröteten Wangen und ihre
Handbewegung, als sie ihn in seinem Zimmer zurückgelassen hatte.
Wieder Haferbrei. Rue starrte hinunter auf das Gefäß mit getrockneten Haferflocken in der Speisekammer, und ihre Lippen verzogen sich voller Abscheu. Christoff und sie waren gestern auf dem Markt gewesen, doch das meiste, was sie gekauft hatten - Sardinen, Käse, Nüsse und Marzipantörtchen - hatten sie schon verspeist. Eine Handvoll Feigen war übrig geblieben, und das Butterstück war kaum angebrochen worden. Sie fand das Brot, das sie noch nicht aufgegessen hatten, aber der Laib war bereits hart und trocken, weil ihn Christoff allzu nachlässig in ein Tuch gewickelt hatte.
Sie ließ das Brot auf den Hackklotz fallen, dann marschierte sie zurück zur Vorratskammer und starrte die Haferflocken an. Und dann schlug sie unbeherrscht mit der
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