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Der träumende Diamant 1 - Feuermagie

Titel: Der träumende Diamant 1 - Feuermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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betreten. Sie konnte auf keinen Fall den Diamanten hervorziehen und den Stammesmitgliedern dann erklären, ihr Anführer sei in einem Lagerhaus eingeschlossen, todkrank. Sie würden über diese Vorstellung nur lachen. Nein … Sie würden glauben, dass sie es irgendwie eingefädelt hätte, dass es ein Trick war, um Herte für sich selbst zu behalten und jede Hoffnung auf eine Hochzeit zunichte zu machen. Das jedenfalls würde sie annehmen, wenn sie ein arrogantes, hinterhältiges, verdammtes Ratsmitglied wäre.
    Sie sollte davongehen. Sie könnte es tun. Nur der Marquis wusste, wo sie lebte.
    Rue presste ihre Wange an den rauen Ast und schloss die Augen.
    Ich liebe dich.
    Er hatte im Fieber geredet. Er hatte nicht gewusst, was er sagte.
    Und doch hatte er ebendies gesagt. Und sie hatte ihm ihr Wort gegeben, bei ihm zu bleiben, weil tief in ihrem Herzen das Mädchen namens Clarissa ihn noch mehr liebte und ihm schon immer verfallen war.
    Sie wurde zu Rauch. Die geborstene Fensterscheibe in Christoffs Schlafzimmer war vernagelt worden, was nicht sehr schön aussah, aber sehr effektiv war. Sie waberte hinauf zur Kuppel. Diesen Einstieg hatten sie noch nicht entdeckt. Im
Innern des engen Ortes verwandelte sie sich so lautlos, wie sie konnte, und öffnete ganz behutsam die Falltür. Der Gang war nicht erleuchtet. Barfuß schlich sie hinunter und traute sich nicht, im Haus die Wandlung zu vollziehen. Sie würden sie sofort aufspüren.
    Die Mehrheit der Männer schien unten zu sein. Sie hörte ihre Stimmen, das leise Murmeln, und noch keinen Aufruhr. Noch nicht. Wahrscheinlich waren sie erst seit ungefähr einem Tag da und hatten noch keinen Verdacht geschöpft, dass irgendetwas grundsätzlich nicht in Ordnung sein könnte …
    Auf dem nächsten Treppenabsatz stand eine Wache, halb gegen das Fenster gelehnt, um dem Regen zuzusehen. Rue hielt den Atem an und schlich langsam, langsam hinter seinem Rücken entlang. Eine Reihe von Porträts beobachteten ihr schleppendes Vorankommen, und deren gemalte Augen glänzten schwarz und zinnern in der Dunkelheit.
    Der Wachmann sah sich nicht um. Sie schaffte es in das nächste Stockwerk des Hauses, dann in das nächste, wo die Herrenzimmer lagen. Bis sie an der Tür zu Christoffs Zimmer angekommen war, war ihr gar nicht der Gedanke gekommen, dass irgendjemand unter den anwesenden Stammesmitgliedern die Fähigkeit besitzen könnte, den Diamanten unter der Matratze aufzuspüren. Aber als sie das Zimmer betrat, fühlte sie Hertes Leben wie eine Liebkosung. Sie hastete zum Bett, weniger achtsam als zuvor, und zog den Stein hervor.
    Was nun? Sie konnte sich nicht verwandeln, und sie wollte es nicht riskieren, noch einmal hinauf zur Kuppel zu steigen. Diese Wache würde nicht für alle Ewigkeit träumend in den Regen starren.
    Also ging sie durch den Raum zu einem anderen Fenster,
öffnete den Verschluss und drückte gegen den Rahmen. Er gab nach, und ein Stoß eisiger Luft fuhr ins Zimmer. Die Tür zum Schlafzimmer knallte zu.
    Verdammt. Sie schob das Fenster ganz auf, beugte sich hinaus und sah empor zu den Wolken. Der Wind zerrte an ihr. Sie warf einen Blick über die Schulter und entdeckte den Mann, der im Türeingang stand, die Hand auf der Türklinke, und dessen Mantel flatterte.
    Es war der Schreiber. Reglos stand er dort und starrte sie an. Rue erwiderte den Blick, dann lächelte sie und legte einen Finger auf ihre Lippen. Sie wirbelte herum und warf den Diamanten mit aller Kraft in den Himmel, vollzog im gleichen Augenblick die Wandlung, von Rauch zu Drachen, und es gelang ihr, den Stein am höchsten Punkt seines Bogens mit den Zähnen aufzufangen. Sie schlug mit den Flügeln und schoss in den peitschenden Regen hinauf. Der Schreiber starrte ihr vom Fensterbrett aus nach, und auf seinen Brillengläsern leuchtete weiß ein Blitz auf.
     
    Dieses Mal riskierte sie keine Spiele mit dem Sturm. Wenn bei diesem Wetter Menschen unterwegs waren, würden sie nicht in den Himmel, sondern zu Boden schauen, auf ihre Schritte achten und die Wassermassen im Auge behalten, die die Straßen der Stadt in Schlamm- und Abwasserflüsse verwandelten. Deshalb flog sie unmittelbar unter den Wolken, tauchte ab und kreuzte, wenn ein Blitz drohte, atmete keuchend um Herte herum und versuchte, an den nadelspitzen Regenströmen vorbeizusehen, die auf ihrem Körper und in ihren Augen schmerzten.
     
    Das Lagerhaus war eine willkommene Erlösung. Sie landete ungeschickt zwischen dem nassen Holz, legte den

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