Der träumende Diamant 1 - Feuermagie
Diamanten
auf den Fußboden, verwandelte sich und stolperte zu der verschlossenen Eisentür.
Die Laterne brannte noch immer trübe im Innern der Zelle. Der Geruch des Regens vermischte sich mit den Wolken und mit Kit, dunkel und unverkennbar.
Sie war sich nicht im Klaren darüber, was nun geschehen würde. Christoff hing noch immer als Rauch unter der Decke. War er inzwischen durchsichtiger? War es ihre Einbildung? Also streckte Rue ihm wie zuvor den Arm entgegen, nur dass dieses Mal der Diamant als ein kleines, kaltes Feuer auf ihrer Handfläche lag.
Tropfend stand sie da, aber es geschah nichts.
Ein Schauder überfiel sie. Ihre Muskeln spannten sich, um das Zittern unter Kontrolle zu bringen. Herte bebte in ihrer Hand und schickte einen Sprühnebel aus farbigem, blitzendem Licht in alle Ecken. Wasser sammelte sich rings um Rues Füße.
»Bitte«, stieß sie flüsternd durch die Zähne. »Bitte.«
Und der seidene Rauch, der Christoff war, begann sich zu verdichten, auf ihre Handfläche zu sinken und wie ein Korkenzieher ihren Arm zu umwinden. Er war sehr kühl, mit langen Ausläufern auf ihren Schultern. Und dann umfing er mit einem Mal ihren ganzen Körper; eine Wolke, die jeden Teil von ihr bedeckte. Ihr Zittern ließ nach. Sie schloss die Augen und hielt vollkommen still, hatte Angst, sich zu bewegen. Der Diamant brannte wie Eis auf ihrer Haut.
Sie legte den Kopf in den Nacken, holte vorsichtig Luft und atmete wieder aus. Er glitt über jeden Zentimeter ihres Körpers, die weichste aller Liebkosungen, und sie dachte: Jetzt bist du in meinem Innern. Ein Teil, ein Augenblick von dir, für immer.
Dann ließ er von ihrem Körper ab. Er war grauer Nebel, der tanzte und sich in Schichten veränderte, um zu einem Drachen zu werden, der sie umschlang. Sie ließ den Arm sinken und stützte ihn auf Kit, sodass der Diamant seinen Rücken berührte. Er schauderte, entspannte sich. Sie kletterte befreit über die Windungen seines Körpers, rutschte mit den Füßen zuerst an seiner Flanke hinab und fiel neben seinem Kopf auf die Knie. Seine Augen waren Schlitze, doch sein Blick folgte ihr, und als sie mit ihrer Hand über seinen Nacken strich, schlossen sich seine Lider.
»Werde doch wieder gesund«, betete Rue. Sie legte den Diamanten auf sein Herz. »Komm zurück.«
Kit stieß ein Seufzen aus, das die Laterne umwarf. Rue bekam sie gerade eben noch zu fassen und stellte sie wieder aufrecht hin. Die Flamme leckte bernsteinfarben über sein Gesicht und verschwand in schwachem Glimmen entlang den Umrissen seines Körpers. Es schien - jedenfalls hoffte sie das -, als würde er leichter als zuvor atmen. Sie sah sich nach der Decke um, die sie mitgebracht hatte, und breitete sie über ihm aus.
Dann rieb Rue sich mit den Händen über die Arme und beobachtete Kit. Irgendwann, als die Kälte zu beißend wurde, um sie zu ignorieren, schlüpfte sie wieder in ihr marineblaues Popelinekleid und schlang sich das Tuch um die Schultern wie eine Bäuerin. Sie kuschelte sich eng an Kit, um den letzten Rest ihrer Wärme nicht zu vergeuden. Als sie mit den Knien an ihrer Brust einschlief, träumte sie vom Schnee in den Alpen.
Er fühlte sich erschöpft, und ihm war kalt. Das waren die ersten Eindrücke nach Jahren … nach Äonen. Die Welt war ein grausamer, arktischer Ort, und er musste sich irgendwie dagegen
schützen. Und nach diesem ersten Gedanken bemerkte er es: Etwas Kleines, Warmes presste sich gegen ihn; etwas Süßes, Weibliches, Wunderbares.
Nun öffnete er die Augen. Alles war dunkel, und die Farben verschmolzen miteinander: maronenfarbene Backsteine und honigbrauner Granit, von Raureif überzogene Schatten und das Mädchen, das sich neben ihm zusammengerollt hatte.
Sie trug Blau. Sie schlief mit einem Arm unter dem Kopf, und ihr Haar lag in warmen, glänzenden, kastanienbraunen Locken über ihrem Gesicht und ihren Schultern. Ein weißer Schal lag zerdrückt auf ihrer Brust.
Sein Geist kämpfte mit dem Namen.
Maus.
Rue.
Ehefrau.
Neben ihrem Rock stand eine Lampe. Die Flamme flackerte und war fast schon erloschen, aber sie zeigte ihm das Muschelrosa ihrer Lippen, den dunklen Bogen der Wimpern, der samtig auf ihrer Haut lag, die zärtliche Schale ihrer Finger unter ihrem Kinn.
Sie war die vollkommenste Schönheit, die er je gesehen hatte.
Er spürte, wie ihn ein schläfriger Friede überkam, während er sie ansah. Nun konnte er ruhen, ohne sich Sorgen wegen seiner Träume machen zu müssen.
Das Licht auf ihr
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