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Der träumende Diamant 1 - Feuermagie

Titel: Der träumende Diamant 1 - Feuermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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hatte sich vertieft. Es wärmte und erleuchtete sie, bis er jedes Haar erkennen, jede zarte Wimper unterscheiden konnte, und auch die fast unmerklich dunkle Stelle auf ihrem Wangenknochen, die er zunächst für einen Schatten gehalten hatte. Die Haut war grün und lila und blau marmoriert. Sie war verletzt. Sie hatte Blutergüsse.
    Ein scharfer, neuer Schatten fiel über den Boden. Kit versuchte,
den Kopf zu heben, vermochte es jedoch nicht. Emotionen durchzuckten ihn: Sie war verletzt, sie brauchte ihn, und da war ein Schatten, der zu ihrem Kleid kroch. Er musste sie schützen …
     
    Überall waren Männer. Mit verstohlenen Schritten schlichen sie sich heran und umringten sie, murmelten Worte mit leisen, monotonen Stimmen, warfen ihm Blicke zu und gestikulierten.
    Sie erwachte langsam. Ihre Augen öffneten sich, und sofort blinzelte sie. Er fand die Kraft, den Kopf zu heben und einen Flügel zu spreizen, doch sie hatten sie bereits erreicht. Mit einem leisen, schmerzerfüllten Schrei zogen sie sie von ihm fort und warfen ihr eine Kapuze über den Kopf. Er öffnete das Maul, und beinahe wäre es ihm gelungen, den nächststehenden Mann zu töten, doch der Bastard brachte sich in letzter Sekunde außer Reichweite und folgte den anderen, die sie von Kit wegzerrten, aus dem schattigen Licht in die strahlende Helligkeit, in die er nicht schauen konnte.
    Zorn erfüllte ihn. Er versuchte aufzustehen, um ihnen zu folgen, aber auch das war sinnlos. Alles, was er tun konnte, war, innerlich zu toben und ansonsten auszuharren. Sein Körper war plötzlich ein neuer Feind, der ihm nicht gehorchte, der ihr nicht folgen und die Männer töten wollte, die sie ihm stahlen.
    Er versuchte es trotzdem. Er schnaubte und erhob sich mühsam; qualvoller Schmerz pumpte durch sein Blut, bis sich die Dunkelheit in entsetzlicher Stille über ihm auftürmte und über ihm einstürzte und ihn begrub.
     
    Man brachte sie in einer vollkommen gewöhnlichen Kutsche fort, zumindest schien es ihr so. Es hatte sich wie eine gewöhnliche
angefühlt , mit klappernden Jalousien und zugigen Fenstern und einem linken Rad, das bei jeder Unebenheit auf der Straße ratterte und ächzte. Aber sie hatte nichts davon gesehen, nicht die Jalousien, nicht die Bodenbretter oder die Männer, die sich neben ihr hineingezwängt hatten. Alles, was Rue erkennen konnte, war schwarze Baumwolle. Und alles, was sie hörte, war der Regen.
    Er peitschte auf Far Perch nieder und prasselte heftig gegen die Fenster des Raumes, in den man sie gebracht hatte, bis der Wind die Richtung änderte und das tiefe, gleichmäßige Trommeln vom anderen Ende des Hauses aus erschallte. Von ihrem Platz auf dem Stuhl aus, den man ihr zugewiesen hatte, unterschied sie die Herzschläge von mindestens sechs Drákon um sie herum. Aber keiner von ihnen sagte auch nur ein Wort.
    Als sie sie in die Kutsche geschoben hatten, hatte sie befürchtet, die Reise würde nach Darkfrith gehen, trotz des Sturmes, doch Gott sei Dank hatten sie mehr Verstand. Far Perch lag viel näher und war auch viel passender. Zweifellos hatte der Rat das Gefühl, man könne sie dort leichter im Auge behalten, jedenfalls zunächst.
    Alles, was sie brauchte, war, dass man sie alleine ließ. Wenigstens für eine Minute. Wenn es sein musste, würde sie sich selbst erdrosseln, um diese Kapuze loszuwerden, aber sie würde es schaffen. Irgendwie.
    Wieder waren ihre Arme gefesselt worden, und dieses Mal fühlte es sich an, als hätten sie Stahlseile verwendet. Es war unmöglich, sich zu entspannen, solange ihre Fäuste hinter ihren Rücken gebunden waren, und so blieb sie stocksteif auf ihrem Stuhl sitzen und lauschte auf jede verräterische Einzelheit, die ihr vielleicht helfen konnte. Es war nicht nötig, zu raten, wer sie dem Rat ausgeliefert hatte. Es musste der
Schreiber gewesen sein. Und es war auch nicht nötig, zu erraten, wer angeordnet hatte, sie zu fesseln und ihr eine Kapuze überzustreifen.
    Parrish Grady war gekommen und stand in der offenen Tür hinter ihr. Seltsam, dass sie seinen Geruch nach Mottenkugeln, Haarpuder und viel zu süßem Rasierwasser nicht vergessen hatte.
    Er betrat den Raum mit einstudiertem, energischem Schritt, ging langsam um ihren Stuhl herum und blieb wortlos vor ihr stehen. Sie stellte sich sein Gesicht vor, das sie musterte, seine Augen mit den schweren Lidern, seine schmalen Lippen, die zu einem höhnischen Lächeln verzogen waren.
    Immerhin war sie angezogen.
    Rue hob den Kopf. »Mr. Grady.

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