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Der träumende Diamant 1 - Feuermagie

Titel: Der träumende Diamant 1 - Feuermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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»Schlafen Sie gut.«
     
    Sie schlief nicht. Sie konnte kaum den Rücken biegen, ganz zu schweigen davon, sich so zu entspannen, dass sie dösen konnte. Sie versuchte, sich weit genug im Stuhl zurückzulehnen, sodass ihre Hände verborgen waren, damit die zwei Männer, die bei ihr im Raum geblieben waren, nicht sahen, wie sie langsam ihre Handgelenke drehte, bis sie wund und blutig waren, und wie sie sich mühte, die Seile loszuwerden.
    Ohne ihre Hände war sie nicht in der Lage, ihren Rock glatt zu streichen. Egal, wie sie sich bewegte, er zog sich auf falsche Weise unter ihren Beinen stramm. So war ihre Wirbelsäule gebogen, und sie konnte sich nicht aufrecht hinsetzen.
    Inzwischen war sie müde, ihr Körper war steif und verkrampft, und ihre Gedanken kreisten um ihre Sorgen. Sie ließ den Kopf sinken. Die Kapuze war von ihrem Atem feucht geworden und roch unangenehm nach frischer Farbe. Sie fragte sich, ob sie sie extra für sie vorbereitet hatten.
    Trotz des Regens konnte sie jemanden sprechen hören. Sie drehte den Kopf, konnte aber die einzelnen Worte nicht ausmachen, denn sie kamen von jenseits der Wände dieses Raumes. Die Männer um sie herum bewegten sich. Die Tür öffnete sich. Schritte eines einzelnen Mannes schlurften über den Boden.
    »Der Rat findet sich zu einer Krisensitzung zusammen«, sagte der Mann.
    »Was, jetzt?« Der Bursche rechts neben ihr bewegte sich. »Schon wieder?«

    »Jawohl. Grady schickt mich, Sie alle zu holen.«
    »Was ist mit ihr?«, fragte der andere Wachmann.
    »Es geht schnell. Ich soll hier bei ihr bleiben.«
    »Ich weiß nicht …«
    Die Stimme wurde härter: »Krisensitzung. Hat irgendetwas mit Langford zu tun. Sie müssen jetzt sofort gehen.«
    »In Ordnung.« Und beide Männer gingen an ihr vorbei, und ihre Schritte verhallten im Flur. Die Tür wurde geschlossen.
     
    »Wer auch immer Sie sind«, sagte Rue leise in den Raum hinein, »das war ein verdammt fadenscheiniger Vorwand. Sie werden bald wieder zurück sein.«
    »Ich weiß.«
    Hände nestelten an ihrem Nacken. Sie ließ den Kopf noch einmal sinken, um ihm dabei zu helfen, sie von den Fesseln zu befreien. Die Kapuze löste sich, er nahm sie ihr ab, und Rue holte zum ersten Mal seit Stunden richtig Luft.
    Vor ihr kniete der junge Schreiber. Seine Perücke war zurückgerutscht und gab den Blick auf einen Teil seines blondbraunen Haars frei. Seine Stirn war in Falten gelegt. Seine Augen waren dunkelgrau und mürrisch hinter den Brillengläsern.
    »Es tut mir leid«, platzte er heraus. »Ich hätte Sie nicht verraten! Aber bei mir war noch jemand anderes … und er hat Sie ebenfalls gesehen …«
    »Schon gut.« Sie erhob sich und ging einige Schritte von ihm weg, beugte sich vor und streckte ihre Arme hinter sich aus. »Würden Sie bitte für mich ein Fenster öffnen?«
    Er nickte und trat an das nächstgelegene. Rue kam durch den Raum, stellte sich neben ihn und beobachtete seine Finger bei der Arbeit. Der Verschluss öffnete sich. Wind und nasse
Luft stürmten auf sie ein wie der Atem Gottes. Sie hätte nie geglaubt, dass sie einmal so froh sein würde, den Regen zu spüren.
    Der Schreiber sah zu ihr hinunter. Seine Brillengläser beschlugen. Nervös setzte er das Gestell ab und wischte es an seinem Ärmel trocken.
    »Das werden die Ihnen nicht so einfach verzeihen«, sagte sie.
    »Nein.«
    Rue lächelte ihn an. »Danke.«
    »Ich … nun …« Tatsächlich errötete er.
    Schritte hallten durchs Haus, zuerst noch in weiter Ferne, dann polterten sie näher. Sie sprach rascher. »Hören Sie zu. Machen Sie sich auf den Weg zum Lagerhaus und sehen Sie, was die mit Langford angestellt haben. Wenn sie ihn in der Zelle eingesperrt haben, dann lassen Sie ihn raus. Haben Sie verstanden?«
    »Jawohl.«
    »Und dann verschwinden Sie eine Weile. Wenn es sicher ist, hierher zurückzukommen, werden Sie es wissen.«
    »Ja.« Er schluckte. »Ich verstehe.«
    »Wie heißen Sie?«
    »Nicholas. Nick.«
    Sie beugte sich vor und streifte seine Wange mit ihren Lippen.
    »Viel Glück, Nick!«
    Sie vollzog die Wandlung, und einen Augenblick später tat er es ihr nach. Jeder von ihnen erhob sich in den Regen und schlug die entgegengesetzte Richtung ein. Er war zu den Docks unterwegs und sie ins Herz der Stadt.

    Sie flog nicht nach Hause. Sie würde ihr Schicksal nicht so leichtfertig aufs Spiel setzen. Stattdessen suchte sie eine ihrer Rückzugsstätten auf. Diese war der säulenförmige Glockenturm einer höchst belebten Kathedrale im

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