Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der träumende Diamant 1 - Feuermagie

Titel: Der träumende Diamant 1 - Feuermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
Vom Netzwerk:
gotischen Stil. Der Turm war einer der höchsten der Stadt, und der Stein war streifig vom Alter. Als sie die Falltür untersuchte, konnte sie nur weiter unten, von wo aus die Glocken durch mehrere Stockwerke hinabbaumelnde Seile geläutet wurden, Anzeichen für menschliches Leben entdecken. Hier oben in der Dunkelheit stammten die einzigen Abdrücke, die den Balkon aus rosafarbenem Alabaster und Schiefergestein überzogen, von Tauben. Alles hier war eng und von ätherischer Schönheit. Sie setzte sich neben den höchsten der Gargoyles auf den Boden und sah hinaus auf die Lichter der Stadt.
    Bald würde es dämmern. Der Sturm hatte nach Norden abgedreht.
    Hoffentlich bewältigte Nick seine Aufgabe. Hoffentlich ging es Christoff gut genug, sodass er verstand, was geschehen war und was noch getan werden musste.
    Rue legte eine Hand um eine geriffelte Säule neben ihr und beugte sich möglichst weit in den Wind, den anderen Arm ausgestreckt. Sie ließ die kalten Regentropfen auf ihre Haut perlen und durch ihre geöffneten Finger rinnen.
    Finde mich .

17
    Rue wartete einen Tag ab. Sie zog sich etwas Warmes aus ihrer versteckten Tasche über, und nach einiger Zeit sah sie sich auf der Etage unter ihr um. Eigentlich war es gar kein Stockwerk,
sondern es handelte sich um Laufplanken aus riesigen Eichenbalken, die die Zwillingsglocken des Kirchturms stützten. Während Rue im Zickzack durch diesen Irrgarten lief, wurde ihr Rock vom Wind hochgepustet und aufgebauscht. Dann setzte sie sich, ließ die Beine baumeln und klopfte ganz leise mit ihren Absätzen gegen die Halbkugel der riesigen Bronzeglocke unmittelbar unter ihr.
    Sie sah zu, wie der Himmel sich verfärbte. Die Wolken wurden dünner und heller, und es waren nur natürliche Wolken, keine Spur von Drákon, die sich dazwischengemischt hatten. Dort draußen waren sie. Irgendwo. Sie würden sie von nun an bis ans Ende der Welt jagen.
    Der Morgen graute und ging in den Tag über. Der Tag schmolz in den Nachmittag hinein. Immer, wenn die Glocken geläutet wurden, flüchtete sich Rue ganz hinauf in die Kirchturmspitze und steckte sich die Finger in die Ohren. Dann ließ sie die donnernden Töne über sich hinweg- und durch sich hindurchrollen und wurde bis ins Knochenmark erschüttert.
    Matutin, Prim, Terz, Sext.
    Der Himmel war nun fast überall blau, weiße Wolken zogen dahin, und fedrige, graue Rauchfäden aus unzähligen Kaminen unter ihr verwehten im Wind.
    Aber die Laufplanken waren besser geschützt, und so versuchte sie, dort zu bleiben. Immer wieder fuhr ein schattenkalter Luftzug durch den Turm empor, zerrte an ihrem Haar und blies ihr Strähnen in die Augen. Die Glockenseile schwangen dann wie lange, sich windende Schlangen.
    Wieder einmal sah sie ihnen zu und beugte sich mit dem Oberkörper vor, so weit sie konnte, um in die Leere unter sich zu starren, als es plötzlich, kaum wahrnehmbar, ein Geräusch über ihrem Kopf gab. Rue richtete sich auf und sah hinauf zur Falltür. Sie öffnete sich zu einem strahlenden Spalt, dann
einem lichtdurchfluteten Quadrat. Rue legte eine Hand vors Gesicht, um die Augen zu schützen, bis die Umrisse eines Mannes die Helligkeit abschirmten.
    Zurückgeworfene goldene Haare fingen das Sonnenlicht ein, das wie ein Heiligenschein leuchtete und den Mann strahlender als einen Engel wirken ließ. Ein Arm wurde zu Rue hinuntergestreckt. Sie nahm die Hand und wurde geradewegs auf den kleinen Balkon gezogen, wo sie zwischen Rußflecken und Gestein sicheren Halt fand.
    Christoff begrüßte sie nicht. Er sagte nichts, legte ihr nur die Hände auf die Wange und küsste sie heftig, mit geöffneten Lippen und tief. Es gab keinerlei Vorspiel: Seine Finger gruben sich in ihr Haar, sein Mund lag auf ihrem, sein Körper war ein fester Druck gegen ihre Brust und Hüften. Mit einem drängenden Laut tief in seiner Kehle presste Christoff Rue gegen eine Säule. Er küsste sie, als wäre er bereits in sie eingedrungen, als wären sie beide nackt und miteinander verschlungen, dort, hoch droben, in diesem luftigen Turm, umgeben vom Himmel und rosafarbenem Gestein und Stille.
    Ihr Herz machte einen Satz. Ihr Blut wurde zu einem dunklen, hitzigen Strom.
    Doch sie unterbrach diese Zärtlichkeiten, löste sich von Christoff und presste sich die Finger auf die Lippen, in der Hoffnung, so ihren verräterisch unsteten Atem verbergen zu können. Er senkte die Arme und ließ Rue ohne Widerspruch los. Ihr Haar wehte wie ein Vorhang zwischen ihnen, und die Spitzen

Weitere Kostenlose Bücher