Der träumende Diamant 1 - Feuermagie
hatte …
Es war ein sehr dunkler Abend, aber nicht dunkel genug, um jegliches Risiko auszuschließen. Normalerweise hätte er niemals einen so ungeschützten Moment gewählt, aber er konnte wohl kaum einfach zu ihrer Tür gehen und anklopfen.
Kit schlüpfte tiefer in die Schatten der Gasse, legte seine Kleidung ab und vollzog die Wandlung.
Es war die Gabe der Drákon, diese Gestalt anzunehmen, sein menschliches Selbst abzustreifen und das wilde Tier in sich die Oberhand gewinnen zu lassen. Er war durchsichtig, stieg auf, Rauch, der sich erhob und um ihr Haus waberte, suchte und suchte … Alles, was er benötigte, war ein kleiner Spalt, ein vergessenes Loch …
Doch da war keins. Zweimal suchte er das Haus ringsum ab, suchte, so schnell er es wagte, ehe er bemerkt werden konnte, doch sie war ihm zuvorgekommen. Der Kamin, die roten Backsteine, die cremeweiß gestrichenen Angeln der Fenster, alles war fest versiegelt. Er war gezwungen, seine Suche abzubrechen und in der stinkenden Gasse auf der anderen Seite wieder seine menschliche Gestalt anzunehmen, dort stehen zu bleiben und zwischen Entmutigung und Bewunderung hin- und hergerissen zu ihrem Haus hinüberzustarren.
Nun gut. Sie wollte eine direkte Begegnung. Das konnte er für sie einrichten.
Am Ende allerdings blieb dem Marquis von Langford doch nichts anderes übrig, als über das Kopfsteinpflaster zu schlendern und an ihre Tür zu pochen.
Sidonie hörte das erste Klopfen von der Küche aus, wo sie bis zu den Ellbogen im Teig für eine walisische Pastete steckte, bei deren Zubereitung fürs Abendessen sie der Köchin half. Madam pflegte spät zu essen, selbst an dem gemessen, was in der Stadt üblich war, doch die Hausangestellten hatten sich schon vor langer Zeit ihrem Zeitplan angepasst. Sie drei waren schließlich gut genährt und ordentlich gekleidet, und was das Hausmädchen und die Köchin anging, so wurden sie auch angemessen bezahlt. Sidonie hatte im Armenhaus gelebt, ehe Madam Hilliard sie angestellt hatte, und noch davor hatte sie an den Ecken der Fleet Street herumgelungert. Sie war keine Frau, die dazu neigte, die Angelegenheiten ihrer verwitweten Herrin allzu eingehend zu hinterfragen.
Wieder ertönte ein Klopfen, diesmal eindringlicher.
»Verflucht noch mal, wo steckt denn dieser Junge?«, grollte die Köchin und richtete sich von einem Berg gehäuteter Zwiebeln und geschältem Lauch auf. »Läuft einem immer zwischen den Beinen rum, wenn man ihn nicht brauchen kann, ist aber nie da, wenn er auch nur im Geringsten von Nutzen sein könnte …« Sie verdrehte die Augen und wandte sich an Sidonie. »Geh schon, bevor er, wer auch immer es ist, einen Aufstand macht.«
Sidonie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und eilte aus der Küche.
Vielleicht war es eine Lieferung, die sie an die Hintertür schicken musste. Vielleicht war es Zane, der - wieder einmal! - seinen Schlüssel vergessen hatte und der ebenfalls den hinteren Eingang benutzen sollte, was er jedoch selten tat. Oder es könnte auch der prächtige junge Thomas Fitzhugh sein, mit seinen blitzenden Augen und verlangenden Blicken, der aus dem Eishaus gekommen war, auch wenn es fürs Eis sicherlich schon zu spät war …
Sobald ihre Schritte auf dem Holzfußboden der Halle zu hören waren, verstummte das Klopfen. Sidonie beeilte sich dennoch, schüttelte ihre Röcke aus und strich sich eben eine Strähne ihres roten Haares aus dem Gesicht, als sie die schwere Metalltür öffnete.
Das Haar rutschte sofort wieder nach vorne, und kitzelnde Strähnen lösten sich unter ihrer Haube, denn der Nachtwind sog die aufgeheizte Luft aus dem Innern des Hauses hinter ihr.
Es war nicht Zane, und es war auch nicht Thomas. Es war ein Edelmann, die Handschuhe in den Händen, ohne Hut, der wie beiläufig vor ihr auf der Treppe stand. Das schwache Glimmen ihrer Lampe fiel mit seinem warmen Licht auf seine Gesichtszüge. Obwohl er eine ganze Stufe unter ihr stand, überragte er sie. Er trug einen maßgeschneiderten, rostbraunen Mantel und braune, glänzende Stiefel. Neben seinen Füßen stand eine Ledertasche. Sein Haar fiel ihm offen auf die Schultern, dick und blond, lang und ungepudert, als wäre er ein Kesselflicker oder ein Pirat. Aber sein adliges Auftreten ließ keinen falschen Schluss zu, ebenso wenig wie der Schnitt seines Mantels.
Er war der schönste Mann, den sie je gesehen hatte.
Der Edelmann begegnete ihrem misstrauischen Blick mit seinen kristallgrünen Augen und bedachte sie
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