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Der träumende Diamant 1 - Feuermagie

Titel: Der träumende Diamant 1 - Feuermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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dann mit einem unbekümmerten, verwegenen Lächeln.
    Sidonie spürte, wie ihr das Herz in die Kniekehle rutschte.
    »Ist Ihre Herrin zu Hause?«, fragte er honigsüß.
    »Ich …« Der Wind blies Sidonie nun entgegen und kühlte ihre Wangen, und sie blinzelte. »Nein, Sir. Mylord.«
    »Nein?« Sein Tonfall klang belustigt, aber er war liebenswürdig, als teilten sie beide ein wunderbares Geheimnis.

    »Ich bitte um Verzeihung, Sir.« Sie deutete einen kurzen Knicks an. »Sie ist ausgegangen.«
    Sein Blick flackerte an ihr vorbei in den dunklen Flur hinein, dann sah er wieder sie an. Sein hübsches Lächeln blieb unverändert.
    »Und wird Mistress Hawthorne bald zurückerwartet?«
    »Oh … nein, Sir«, entgegnete Sidonie nun verwirrt und fragte aber sogleich: »Mistress Hawthorne? Dies ist der Wohnsitz von Madam Hilliard.«
    Doch statt der Bestürzung, die sie erwartet hatte, vertiefte sich das Lächeln des Herrn nur noch. »Ich verstehe. Nun ja, vielleicht darf ich meine Karte trotzdem dalassen.« Und er streckte sie ihr höchst anmutig entgegen, nachdem er sie aus dem Nichts heraus zwischen zwei seiner Finger gezaubert hatte.
    »Natürlich, Mylord.«
    »Danke sehr. Guten Abend.«
    »Guten Abend, Sir.«
    Sidonie musste sich anstrengen, um die Tür wieder schließen zu können, und kämpfte mit deren Gewicht. Und da sie so abgelenkt vom Wind und dem letzten, angedeuteten Lächeln des Herrn war, bemerkte sie die zweite Visitenkarte überhaupt nicht, die zwischen die Tür und den Schnapper rutschte, genau in dem Augenblick, als sie die Tür ins Schloss drückte.
     
    Kit ließ den Blick auf dem kleinen Holzapfelbaum ruhen, der voller winziger, glänzend roter Früchte war, während die Schritte des Hausmädchens verklangen. Dann presste er die Hand gegen die Tür und schob sie mühelos auf, steckte seine Karte wieder in den Mantel, hob seine Tasche auf und betrat leise das Haus.

    Es war eine Stunde vor Tagesanbruch, als sie schließlich den Weg nach Hause wagte. Mit gesenktem Kopf lief sie die beinahe menschenleeren Straßen entlang, und in den Säumen ihres Magdrocks sammelte sich der Schmutz. Es war beinahe unmöglich, vor Tagesanbruch eine freie Kutsche zu finden.
    Sie war so lange in der verfallenen Kapelle geblieben, wie sie es hatte aushalten können, zusammengerollt in der einzig verbliebenen Kirchenbank, die nicht schief geworden war. In den Wänden hausten Ratten, die unablässig in der Nähe ihres Kopfes scharrten. Wann immer sie einnickte, wurde aus ihnen ein quiekender Haufen, der auf dem alten Putz scharrte.
    Die Sakristei war kalt und ungemütlich, und sie sehnte sich verzweifelt nach der Sicherheit ihres Bettes. So lange es ging, hatte sie gewartet, die Beine unter den Körper gezogen, ihre Finger in das wurmzerfressene Holz gekrallt und versucht, nicht einzuschlafen, denn in ihren Albträumen wurde sie immer und immer wieder gefangen genommen, war von Drákon umringt, an die Erde gebunden, von ihnen erstickt, wobei sie nicht einmal mehr in der Lage war zu schreien …
    Die erste Morgendämmerung umfing sie grau und trübe, und niedrig hängender, feuchter Nebel kroch über die Bürgersteige. Rue sah zu, wie ihre Füße den Dunst zerteilten, der sich öffnete, ein wenig wirbelte und sich dann über ihren Schuhen wieder schloss. Sie ging mit gleichmäßigem Schritt und hielt die Arme eng an den Körper gepresst: Sie war niemand Besonderes, nur eine Dienerin auf einem Botengang, die sich eilig fortbewegte und ihre Augen auf den Boden gerichtet hielt. Doch ihre Ohren, ihr Herz, ihre Kehle und jeder andere Teil ihres Körpers zitterten vor Wachsamkeit und Übermüdung.
    Nach und nach tauchten die ersten Fischhändler auf und schleppten ihre schweren Körbe hinter sich her. Milchmädchen liefen mit verschlafenen Augen durch den Nebel, Fleischer
mit Schürzen voller Rostflecken und Waschfrauen. Zwei junge Schuhputzer stritten sich über ihren Würfeln, stießen kurz gegen sie und machten ihr dann den Weg frei, ohne ein Wort zu verlieren.
    Und es waren alles gewöhnliche Leute, niemand von den Drákon.
    Am Rande von Bloomsbury machte sie eine Pause und blieb bei einem Gemüseverkäufer stehen. Dort beugte sie sich über ein Stiefmütterchenbeet, als müsse sie einen Kieselstein aus ihrem Schuh entfernen. Als sie aufsah und umherschaute, erwiderte niemand ihren Blick, nicht einmal der Händler, der im noch trüben Licht seine Stände aufbaute.
    Ach, zur Hölle mit der ganzen Sache. Rue hob das Kinn und spürte,

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