Der träumende Diamant 1 - Feuermagie
sie trieben, wenn die Partner erwählt wurden, war es eine Bindung fürs ganze Leben. Bei jungen Liebenden war man nachsichtiger, nicht jedoch bei Ehefrauen und Ehemännern. Jeder Versuch, eine Ehe in der Grafschaft zu zerstören, wurde als tödliche Beleidigung aufgefasst. Wenn er Clarissa erst mal in seiner Gewalt hätte, würde sie es für immer bleiben.
Er hatte es richtig gemacht, gleich hier, noch in dieser Nacht, damit anzufangen, ihnen zu zeigen, was geschehen würde. Er war der Alpha. Und sie war sein. Das spürte er bis ins Mark seiner Knochen.
Christoff trat allein aus dem Haus und holte in der feuchten, dunklen Luft tief Atem, roch Pferde und Abwässer und den zuckersüßen Nektar des Jasmins, der den Kiesweg säumte. Er trat aus dem Schein der mit Kerzen versehenen Laterne neben ihm heraus und blieb stehen, um seine Augen zu schließen, sich zu konzentrieren und seine Sinne zu schärfen.
Das Tier in ihm, stets so unmittelbar unter seiner Haut, erwachte sofort: leuchtende Augen eines Raubtiers, das Zähne und Klauen in sein Herz hieb. Er spürte, wie sein schwarzer Hunger erwachte und in seinem Blut brodelte, und er hieß die Kraft, die ihn durchflutete, willkommen.
Clarissa.
Er allein hatte die Kraft, diese Angelegenheit in den Griff zu bekommen. Er allein kannte sie so sehr, hatte einen derart starken Eindruck von ihr, allein von der knappen Minute, die sie so nahe aneinandergepresst im Museum miteinander verbracht hatten.
Wieder und wieder rief er sie sich in Erinnerung. Er beschwor ihr Gesicht herauf, das Gefühl ihrer Haare auf seinem Arm. Ihrer Worte, so dicht an seiner Wange.
Kit füllte seine Lungen noch einmal mit Luft.
Tabak, von der Kerzenflamme verkohlte Dochte. Geröstetes Fleisch, verzweifelte Bettler, Gin aus einer Taverne. Die Themse. Vieh, Müll. Ungeziefer, wilde Hunde. Menschen und Menschen und immer mehr Menschen, die ihn um den Verstand bringen konnten - und dann …
Lilien. Oh, in so weiter Ferne, nebelhaft, der Geruch von Feen, tief verborgen in der erstickenden Londoner Luft. Lilien und sie.
Christoff öffnete seine Augen und wandte sein Gesicht dem Westwind zu, wo sie war.
Hinter ihm, im Innern von Far Perch , warteten der Rat und die Wachen.
Bald würde er sie haben. Alles, was er tun musste, war … die Luft tief einzuatmen.
Es war ein schlichtes Haus, auch wenn dieses Äußere trügerisch war, etwas zurückgesetzt von der Straße und von dieser
abgetrennt durch eine kleine, grüne Rasenfläche und einen Holzapfelschössling in einem hölzernen Kübel neben der Tür. Er betrachtete den Spross und die Tür eine Weile lang von seinem verborgenen Platz in der Gasse auf der anderen Seite der Straße aus, ließ Droschken mit ihren schwankenden Laternen vorüberrattern, musterte einzelne Reiter auf Pferden und Dienstmädchen mit Körben in den Armen, die durch die Nacht nach Hause eilten, ehe sie vor verschlossenen Türen stünden.
Kein einziges Lebewesen sah in seine Richtung, nicht einmal der keuchende Terrier an der Leine, der hinter einem gelangweilten Diener hertrabte. Kit wusste, wie man ebenso verstohlen mit den Schatten verschmolz wie ein gewöhnlicher Straßenräuber; er war ein Jäger, der beste seiner Art. Und dies war ihr Heim, da war er sich sicher.
Die Landmaus war tatsächlich in die Stadt entflohen.
Eine Lampe brannte in der Eingangshalle; er konnte den trüben Schein hinter den Vorhängen des Salons erkennen und den schwachen, öligen Geruch des Rauchs erahnen. Nicht der geringste Lichtschein jedoch fiel durch die Tür selbst. Und von drinnen drang kein Geräusch einer Bewegung heraus. Keine menschlichen Schatten durch das Lampenlicht waren zu erkennen. Keine Schritte, keine Stimmen.
Kit lehnte sich mit der Schulter gegen die Steinmauer des Hauses, das ihn verbarg und beinahe identisch mit ihrem eigenen Heim war, und überdachte seine Beobachtungen. Vielleicht war sie nicht da. Oder es war eine List, ein kluger Trick, um mögliche Verfolger abzuschütteln …
Aber nein. Wenn er es nicht durch ihr Parfüm gewusst hätte - das nach zarten Blumen roch, überlagert von ihrem eigenen Duft und beinahe berauschend hier -, dann hätte das fehlende Licht, das üblicherweise durch Spalten und Ritzen kam,
sie ebenso eindeutig verraten, wenngleich zugegebenermaßen nicht dem ungeübten Auge. Sie kannte zwar ihre Schwächen, weil sie die des Stammes kannte, aber trotzdem … Vielleicht war diese Stadtmaus doch nicht so gründlich gewesen, wie sie gedacht
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