Der träumende Diamant 1 - Feuermagie
fuhr er sanft den Bogen ihres Armes hinunter bis zu ihren Haaren, die er streichelte, dann erkundete
er ihr Schulterblatt, das Lockengewirr und ihr Rückgrat. Rue kniff ihre Augen noch fester zu.
»Es betrübt mich, das zu hören«, sagte Christoff, und mit der Hand auf ihrer Hüfte zwang er sie, sich zu ihm umzudrehen. Sie ließ es wider besseres Wissen und trotz aller Furcht geschehen, und das Einzige, was wirklich und wahrhaftig war, war die raue Wand in ihrem Rücken.
Er stand zu nah, so groß, so vollkommen männlich. Sein Haar, seine Haut, selbst seine Augen, die wie lodernde Flammen anmuteten: Er war ein lebendig gewordener Engel, zu betörend und verheerend zugleich, und mit jedem Heben und Senken seiner Brust nahm er Licht in sich auf und strahlte sein eigenes aus. Seine Finger blieben über ihre Hüfte geschmiegt.
Es war, als erinnere sie sich an diesen Moment aus einem längst vergangenen Traum, den sie gehabt hatte, als sie noch ein Mädchen war, und alle ihre jugendlichen Phantasien erfüllten sich nun auf entsetzliche Weise. Kit Langford berührte sie, sah sie an, als wüsste er alles über sie, ihre geheimsten Hoffnungen und Sünden - als ahnte er ihr ganzes Leben voraus, das unverhüllt vor ihm lag.
Sein Blick flackerte zu ihren Lippen. Der Griff seiner Finger wurde stärker. Das Licht der Kerze huschte wie die Berührung einer Geliebten über seine breiten Schultern.
Von außerhalb des Zimmers war ein fernes Geräusch zu hören. Sofort sahen sie beide zur Tür, dann blickten sie wieder einander an. Zwischen ihnen schienen verschiedene Möglichkeiten zu pulsieren; Christoff griff nach ihrem Kinn und sprach noch einmal sehr leise.
»Da draußen werden gleich eine Menge Leute sein, die von unserem Sturz aus dem Himmel und dem, wie ich sicher annehme, großen Loch im Dach angezogen worden sind. Zumindest
wird dort ein Wachmann sein. Versprich mir, dass du nicht schreien wirst.«
Sie konnte die Männer herbeirennen hören.
»Versprich es«, beharrte er, und seine Hand rutschte von den Haaren tiefer, bis sie schließlich die Andeutung einer Drohung an ihrer verletzten Kehle wurde. Rue leckte sich über die Lippen, und ihre Gedanken rasten - wenn sie doch schrie, wenn sich die Tür öffnete, wenn sie die Wandlung vollziehen konnte -, und ihm entfuhr zischend der Atem.
»Hör mir zu! Ich verlange im Augenblick nichts anderes. Aber ich will nicht riskieren, noch weitere Aufmerksamkeit zu erregen.« Jemand näherte sich der verschlossenen Tür, Schritte scharrten über die Steine, und sie dachte, jetzt, jetzt, doch Christoffs Hand schloss sich. Der Puls in ihren Ohren schwoll zu einem rauschenden Fluss an.
»Maus«, flüsterte er und übertönte das ansteigende Tosen in ihrem Kopf.
»Ja.« Ihre Lippen formten das Wort, sie konnte selbst nicht hören, dass sie es aussprach. Doch sein Griff lockerte sich. Sie lehnte sich gegen die Steine, kämpfte gegen das Schwindelgefühl, dann hob sie den Arm und schüttelte seine Hand ab. Er ließ sie sinken und musterte nachdenklich ihr Gesicht, während die Unterhaltung vor der Tür nun deutlicher wurde.
»… Sonderbar. Haben Sie oder Ihre Männer es gesehen, Sir?«
»Nein. Nein, keineswegs.« Eine geübte Stimme, die die Worte affektiert in die Länge zog.
»Etwas ist aus dem Himmel gefallen, sagen Sie? Wie erstaunlich.«
»Eine Handvoll Zeugen wollen es hier in der Nähe gesehen haben. Was für ein Durcheinander Sie hier haben! Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn …?«
»Wie ich Ihnen schon gesagt habe, Wachtmeister, wir sind auf dem Sprung. Wir sind nur hergekommen, um uns einen Eindruck vom Gebäude zu verschaffen. Wir haben mit der Nachmittagstide über vierzig Tonnen Wolle hereinbekommen, und weitere sind auf dem Weg. Aber dieser Ort hier ist heruntergekommen, wie Sie sehen können. Recht nutzlos.«
»Das Dach …«
»Ja, eine Schande, nicht wahr? Letzte Woche eingestürzt, nachdem es so heftig geregnet hat.«
Der Marquis hatte seinen Kopf schief gelegt und lauschte.
»Letzte Woche?«
»Das sage ich Ihnen«, gluckste der redegewandte Mann. »Sie haben doch nicht geglaubt … aber nein, natürlich nicht!«
»Oh … äh …«
»O nein, mein guter Mann, kein Stückchen einstürzender Himmel ist für diesen Zustand verantwortlich. Das Holz war verrottet, leider sogar sehr. Sehen Sie sich die Planke hier mal an! Eine verdammte Schande!«
»Natürlich, natürlich.«
»Selbstverständlich wollen wir den Verwalter zur Verantwortung ziehen.
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