Der träumende Diamant 1 - Feuermagie
dich nicht. Du kanntest mich
nicht … Du hast mich nie auch nur bemerkt. Aber ich wusste, was es bedeuten würde, dass ich die Wandlung vollziehen kann. Und selbst, als ich noch ein Mädchen war, wollte ich dich nicht auf diese Weise haben.«
Er drehte sein Gesicht wieder zum Fenster und zog den glänzenden Zickzackriss auf der Scheibe nach. »Auf welche?«
»Gezwungenermaßen. Wir wären beide dazu gezwungen gewesen.«
Er ließ die Hand sinken und sah hinaus zu den Bäumen. Im gedämpften Licht betrachtete sie ihn heimlich noch einen Augenblick länger: das markante Profil, die entschlossenen Lippen, das ziemlich feuchte Haar, die Strähnen, die unbeachtet an seinen Wangenknochen klebten und den tiefen, honigfarbenen Schimmer von Met hatten.
»All diese Anstrengungen«, sagte er nachdenklich, »nur, um mir zu entgehen. Wie schmeichelhaft.«
Er klang nicht geschmeichelt. Er klang sarkastisch, als habe sie ihm etwas so Geringes und Unwichtiges gesagt, dass er es schon wieder halb vergessen hatte. Und das schmerzte mehr, als sie erwartet hatte. »Es war nicht nur deinetwegen, Lord Langford. Es waren dieser Ort und diese Leute. Dieses Leben. Ich wollte nichts mehr damit zu tun haben.«
»Dafür ist es ein bisschen spät, Rue. Ob es dir gefällt oder nicht, du bist von unserem Blut.«
»Zur Hälfte.«
»Das ist richtig«, stimmte der Marquis nüchtern zu. »Auch wenn es so scheint, als hättest du die bessere Hälfte abbekommen. Die wunderschöne Seite, nicht die des Biestes.«
Bei der letzten Bemerkung blinzelte sie und verschränkte die Arme.
»Wie charmant! Hast du lange gebraucht, um dir das zurechtzulegen?«
»Nein, es war erst heute Morgen.« Er zuckte ungerührt mit den Schultern.«In London wird das besser werden.«
»Bitte mach dir keine Mühe.«
»Ich fürchte, ich kann nichts dagegen tun. Ich bin von Natur aus charmant.«
Und er blickte ihr tief in die Augen, äußerst unschuldig und zugleich auch verrucht, und hatte sie damit in seinen durchdringenden, strahlend grünen Augen gefangen.
Es verschlug ihr den Atem. Sie verlor jegliches Gefühl für Zeit und Raum. Sie erwog, ihm mehr zu erzählen, davon, wie er der einzige Stern ihrer Mädchenzeit gewesen war, wie sie ihm zugesehen hatte, als er die Herzen aller Mädchen der Grafschaft brach, alberne Gänse, die bei seinem Augenaufschlag durcheinanderpurzelten wie Kegel. Davon, wie sie gewartet - und gewartet - hatte auf die Gelegenheit, ihm nein zu sagen, und doch ja zu meinen … Aber dieser Tag war nie gekommen.
»Ich bin mir sicher, das hat dir jede Menge Speichellecker beschert«, bemerkte Rue stattdessen.
»Es hat seinen Zweck erfüllt.« Kit machte mit dem Kinn eine Geste zum Fenster hin.
»Du scheinst selbst einige Kriecher für dich gewonnen zu haben.«
Sie zögerte. »Das sind nicht deine Männer?«
»Nein, Maus. Ich glaube, die gehören zu dir.«
Im Wald standen die Drákon regungslos im Regen; Gesichter, die Rue nicht richtig erkennen konnte, in Wasser getränkt und voller Blätter. Jetzt gab es noch mehr von ihnen, zehn, elf. Sie standen einfach nur dort. Starrten einfach nur.
»Unsere Heirat würde dich beschützen«, sagte Christoff sanft.
Rue wandte sich von der Scheibe ab. »Ich glaube nicht, dass
ich mit der Abreise bis nach dem Abendessen warten möchte, Lord Langford. Ich würde lieber sofort aufbrechen.«
Er verbeugte sich. »Komm mit«, war alles, was er sagte, und in einem Schwall aus Schwarz und Honiggold verließ er das Zimmer. Sie warf einen letzten Blick aus dem Fenster, dann eilte sie ihm hinterher.
Er brachte sie nicht zur Remise. Kit spürte den Augenblick, als sie begriff, dass sie nicht dorthin unterwegs waren: das Stocken in ihrem Schritt, nur für den Bruchteil einer Sekunde, und das Zögern, welches er am Arm unter ihrer Hand spürte. Als er sie jedoch ansah, bewahrte sie die Fassung und blieb gleichbleibend süß und bezaubernd, als ob sie nichts weiter als einen ruhigen Abendspaziergang auf dem Gelände des Herrenhauses unternähmen.
Sie hatte seinen Mantel abgelehnt. Regen glänzte auf ihrer Haut und verwandelte ihr Haar in schwere Locken. Ihr Atem wurde zu kleinen Reifwölkchen. Sie war eine Göttin, die sich in einer kalten Quelle wusch.
Als sie die Auffahrt hinuntergingen, tauchten an den Fenstern von Chasen Manor Gesichter auf, die ihr, ihm, der Wache folgten. Er wusste, dass sie beobachtet wurden; sie würden hier immer beobachtet werden, und er fragte sich, ob Rue das ebenfalls vermutet
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